Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
würde es nichts ausmachen, mich anzurufen und mir ins Gesicht zu sagen, was ihn ankotzt.«
Die Kommissarin lehnte sich auf dem Stuhl zurück. »Er war es, der eine Affäre hatte, richtig?«
»Ja.«
»Weswegen hätte er also sauer sein sollen?«
»Genau das frage ich mich auch.«
Rachel hob kurz eine Augenbraue. Es wirkte mehr solidarisch als amüsiert.
»Die Zettel beweisen nicht, dass es sich um jemanden handelt, den ich kenne«, überlegte Liv. »Vielleicht war der Überfall spontan, und jetzt ist der Täter sauer, weil er nicht bekommen hat, was er wollte.«
»Alles wäre möglich. Ich schicke die Zettel zur Überprüfung der Fingerabdrücke ein, dann sehen wir, was dabei herauskommt.«
»Wie lange dauert so was?«
»Normalerweise eine Woche.«
»Eine Woche?«
»Ich muss sie nach Sydney schicken. Es gibt eine Warteschlange und Fälle, die Vorrang haben.«
»Und was soll ich in der Zwischenzeit tun?«
»Hören Sie, Livia, Sie können sich nicht darauf verlassen, dass Fingerabdrücke den Fall lösen. Das ist nur ein Ermittlungsweg und bringt vielleicht keinerlei Ergebnis. Sorgen Sie aber dafür, dass solche Zettel so wenig wie möglich angefasst werden, falls Sie wieder welche erhalten sollten. Benutzen Sie Handschuhe oder eine Pinzette, und stecken Sie sie direkt in eine Plastikhülle.«
Sie wollte keinen weiteren Zettel. Sie wollte, dass das Schwein endlich gefasst wurde. »Und was tun Sie, um ihn zu finden?«
Liv hörte sich die Einzelheiten zu den Ermittlungen an, und Furcht schnürte ihr die Kehle zu. Die Überwachungskameras im dritten Stock des Parkhauses waren auch mutwillig zerstört worden, es gab also keine Bilder vom Überfall. Niemand in den nahegelegenen Geschäften oder Wohnungen schien irgendetwas gesehen oder gehört zu haben, und bisher hatten sich auch nach der Fernsehsendung keine Zeugen gemeldet.
»Ich wünschte, ich hätte das Interview nie gemacht«, sagte sie.
»Und doch sagt es uns etwas. Der Hinweis des Täters, Sie hätten gelogen, legt nahe, dass er die Nachrichten verfolgt hat. Und das bedeutet wiederum, dass er nicht genügend Zeit hatte, den Zettel per Post zu schicken, damit er heute Morgen in Ihrem Büro war. Entweder wohnt oder arbeitet er in der Nähe, oder er kommt unter der Woche problemlos in Ihre Gegend.«
Das klang plausibel, trotzdem fühlte sie sich kein bisschen besser. Sie blickte auf seine Nachricht, die auf dem Tisch der Polizistin lag, und spürte, wie die Angst auf ihre Schultern drückte. Du solltest Angst haben .
»Muss ich mir große Sorgen machen?«
»Das kann ich nicht sagen, Livia, aber befolgen Sie bitte auch weiterhin die Sicherheitsmaßnahmen, über die wir gesprochen haben. Außerdem möchte ich jeden weiteren Zettel sehen. Das könnte uns helfen, den Verantwortlichen zu finden. Ich habe momentan noch andere Fälle, bitte hinterlassen Sie mir eine Nachricht, falls Sie mich telefonisch nicht erreichen. Ich rufe Sie dann, sobald ich kann, zurück.«
Rachel sprach nüchtern und ohne Umschweife von den nächsten Schritten, und dennoch hörte es sich zwischen den Zeilen nach einer verdammt ernsten Sache an.
12
Es war schon nach Mittag, als sie zurückkam, und unmöglich, einen Parkplatz zu finden. Eine Viertelstunde durchkämmte sie die Straßen in der Nähe ihres Büros, bis sie endlich eine Parklücke fand. Es war Essenszeit, und viele Menschen waren unterwegs, doch anstatt sich in der Menge sicher zu fühlen, beschlich sie eine nervöse Unruhe.
Die Welt ist gefährlich. Voller gefährlicher Leute, Livia.
Wie lange beobachtete er sie schon? Beobachtete er sie jetzt auch?
Sie lief durch die Menge, blieb kurz stehen, kaufte sich ein neues Handy und kam schließlich atemlos bei Prescott and Weeks an. Ally, die Zahnarztgehilfin von der Praxis gegenüber, plauderte gerade mit Teagan am Empfangstresen, sie drehten sich beide um, als Liv die Tür aufstieß.
»Was hat die Polizei gesagt?«, fragte Teagan aufgeregt.
»Tee hat mir von den Zetteln erzählt. Das ist ja schrecklich«, sagte Ally.
Die Angst auf ihren Gesichtern veranlasste Liv, sich umzusehen und sich von der Tür zu entfernen. »Detective Quest hat nur gesagt, dass ich vorsichtig sein soll, wenn ich alleine irgendwo hingehe, und den Notruf wählen soll, wenn mich etwas beunruhigen sollte.«
»Oh!« Ally verzog entsetzt das Gesicht. Teagan schlug eine Hand vor den Mund.
»Hört mal, es ist alles in Ordnung. Niemand wird am helllichten Tag in einem Büro auftauchen und irgendwas
Weitere Kostenlose Bücher