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Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)

Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)

Titel: Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaye Ford
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sollte.
    »Warum gehst du nicht nach Hause? Du siehst erschöpft aus«, sagte Kelly.
    Sie hatte Schmerztabletten genommen und versucht, Mails und Abrechnungen durchzugehen, allerdings ohne großen Erfolg. »Vorher sollte ich noch ein paar Anrufe erledigen.«
    »Nicht in diesem Zustand. Jeder, der mit dir redet, muss denken, dass du im Sterben liegst.«
    Liv lehnte an dem Türpfosten und seufzte. »Ich habe das Gefühl, ich sollte was machen, statt nach Hause zu gehen.«
    »Du solltest dich ausruhen und dir keine Gedanken machen.«
    »Aber …«
    »Liv, geh nach Hause«, sagte Kelly und ging um ihren Schreibtisch herum. Sie sah aus, als würde sie Liv direkt aus der Tür befördern, wenn sie nicht von alleine ging. »Morgen wird es dir besser gehen, wenn du dir jetzt eine Pause gönnst.«
    Liv wusste, dass Kelly recht hatte, doch das trug auch nicht dazu bei, ihre Schuldgefühle zu dämpfen, weil sie fast die ganze Woche nicht im Büro gewesen war. »Okay, ich gehe.«
    »Willst du später bei uns vorbeikommen? Zum Abendessen vielleicht? Ich könnte dich auf dem Heimweg abholen.«
    Das bedeutete Konversation und ordentliche Tischmanieren statt Pyjama vor der Glotze. Und mit ein wenig Glück hatte sie dann auch neue Schlösser an den Türen und konnte auf dem Sofa einschlafen, ohne sich vor einer Hausinvasion zu fürchten. »Danke, da muss ich leider passen. Statt einem ordentlichen Essen brauche ich eher ordentlichen Schlaf.«
    Als sie ging, war es auf der Park Street ruhiger. Sie bewegte sich auf der Innenseite des Gehweges, dicht an den Hauseingängen entlang, denn die soliden Gebäude auf einer Seite vermittelten ihr Sicherheit. Doch während sie an der Bäckerei, einem Herrenausstatter und einer Apotheke vorbeilief, gingen ihre Gedanken in eine ganz andere Richtung. Vielleicht arbeitete der Mann, der sie überfallen hatte, ja in einem der Geschäfte. Oder vielleicht konnte er sie gegen eine Scheibe drücken, ihr ein Messer in den Leib rammen und verschwinden, noch ehe irgendwer etwas davon bemerkte. Der Gedanke trieb sie in die Mitte des Gehsteigs und veranlasste sie, sich die Handtasche vor die Brust zu klemmen.
    Ihr Vater schlief, als sie in sein Zimmer kam. Sie zog einen Stuhl an sein Bett, setzte sich leise und sah ihn an. Die tiefen Falten in seinem erschöpften Gesicht wirkten so vertraut und tröstend wie immer. Heute schienen sie seit Langem wieder ein wenig weicher zu sein, als hätte der Krebs im Schlaf seinen Griff gelockert und gewährte ihm etwas Erholung, um für eine weitere Runde wieder zu Kräften zu kommen. Sie fuhr mit einem Finger über seine Stirn, ganz sanft, um ihn nicht zu wecken, spürte die Wärme seiner Haut und hätte ihn am liebsten in den Arm genommen und festgehalten.
    Es ging jetzt schon so lange. Er war sechs Wochen, nachdem Thomas sie verlassen hatte, hier aufgenommen worden und hatte Monate länger als erwartet durchgehalten. Und sie wusste nicht mehr, ob sie um Durchhaltekraft oder Aufgabe bitten sollte.
    Nein, das stimmte nicht. Liv wollte, dass er durchhielt. Sie wusste, dass das egoistisch war. Er hatte ständig Schmerzen, und sein Körper schrumpfte mehr, als sie es bei einem Mann seiner Statur für möglich gehalten hätte. Dennoch wollte sie nicht, dass er ging. Wollte nicht noch jemanden verlieren. Sie wollte nicht alleine sein.
    Als Liv nach Hause kam, wartete Daniel in einem Allradwagen am Straßenrand. Er folgte ihr in dem großen dunklen Wagen die Einfahrt hinauf. Als sie in der Garage geparkt hatte und zurück zu seinem Wagen lief, hatte er bereits ein Klemmbrett in der Hand und begutachtete wie ein Immobilienmakler das Grundstück – nur seine Aufmachung passte nicht ganz dazu. Er trug keinen Anzug mehr, sondern eine dunkle Arbeitshose und ein Arbeitshemd, dazu Schuhe mit dicker Sohle. In dieser Aufmachung sah er ungezwungener als im Anzug aus und eher wie ein Feuerwehrmann, der Türen einschlug. Ihr fiel wieder ein, warum so viele Frauen für Feuerwehrmänner schwärmten.
    »Sie hatte ich nicht erwartet«, sagte Liv und blickte auf die Ladefläche des Wagens, die voll mit den Kartons war, die er auch im Büro gestapelt hatte.
    Er sah den Weg entlang, der hinten um das Haus führte. »Ich konnte niemanden finden, also habe ich mir etwas Zeit genommen.«
    Sie hatte einen kurzen Moment ein schlechtes Gewissen. Er hatte schon genug für sie getan. Sie wollte ihm sagen, dass sie sich jemand anderen suchen konnte – aber sie war ja kein Dummkopf. »Danke. Noch

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