Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
denn?«
»Das mit Rachel?«, fragte Daniel.
»Ja.«
Er antwortete, sah sie aber nicht an. »Das ist eine alte Geschichte.«
Kelly hob ruckartig den Kopf, als Liv die Tür zu ihrem Büro aufstieß. Sie war am Telefon und stieß ein überraschtes »Ooohhh« aus.
Liv krallte ihre Finger um den Türknopf. »Was ist los?«
Kelly hob warnend einen Finger. »Ich muss los«, murmelte sie in den Hörer und legte auf. »Nichts. Was hat die Polizei gesagt?«
Sie wirkte verstört, als würde sie etwas verheimlichen, doch inzwischen war Liv sich nicht mehr ganz sicher, ob sie nicht vorschnelle Schlüsse zog. Vielleicht erwartete sie inzwischen immer das Schlimmste. Sie setzte sich auf den Besucherstuhl und erzählte von ihrem Gespräch mit Rachel.
»Vielleicht solltest du mal eine Zeit lang von zu Hause aus arbeiten«, sagte Kelly.
»Nein.« Die Tatsache, dass sie morgens aufstehen und zur Arbeit gehen musste, hatte sie das ganze letzte Jahr auf den Beinen gehalten. Sie wollte nicht ausgerechnet jetzt aufgeben.
»Vielleicht hört er auf, Drohbriefe zu schreiben, wenn du nicht mehr herkommst.« Das war ein Vorschlag, aber nach ihrem Gesichtsausdruck zu schließen, wirkte es wie ein Appell.
Liv sah, dass Kelly sich Sorgen um sie machte. Doch das änderte nichts an ihrer Einstellung. »Aus meinem Büro wird er mich nicht hinausekeln. Er kann das Parkhaus und die Straße haben, aber mein Büro bekommt er nicht.«
»So meine ich das auch nicht. Du könntest es nächste Woche ausprobieren und abwarten, was passiert. Das wäre allein deine Entscheidung. Du würdest gar nichts aufgeben.«
Genau wie bei Thomas, dachte sie den Gedanken zu Ende. Sie biss die Zähne zusammen. »Nein, ich bleibe. Gibt es Neuigkeiten von Toby Wright? Hast du was von ihm gehört?«
Kelly blinzelte ein paar Mal, vielleicht überlegte sie, ob sie nicht noch ein wenig länger auf der Home-Office-Nummer herumreiten sollte. Dann entschied sie sich anders, senkte nur den Blick, schob ein paar Akten hin und her und rückte die Tastatur am Schreibtischrand zurecht. »Okay, Toby.« Sie warf das Haar nach hinten über die Schultern. »Nachdem du weg warst, habe ich noch einmal mit ihm gesprochen. Sieht aus, als wolle er Anfang nächster Woche eine Entscheidung treffen.«
Liv wunderte sich über die Verzögerung. »Gab es Probleme?«
»Nein, nein, es war alles in Ordnung. Er wollte sich nur bezüglich des Zeitrahmens mit mir abstimmen.« Sie rückte wieder die Tastatur zurecht und nahm einen Stift. »Ich glaube, es wäre eine gute Gelegenheit.«
So, wie sie es sagte, klang es irgendwie merkwürdig. Lag das am Vorschlag oder an Kelly? Sie saß zusammengesunken auf ihrem Stuhl, wirkte müde und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Kein Wunder. Schon die ganze Woche hatte sie für beide gearbeitet. Liv empfand Schuldgefühle. »Das klingt gut, Kell. Du hast tolle Arbeit geleistet. Tut mir leid, dass ich dir keine große Hilfe war, aber jetzt bin ich wieder da und startbereit. Lass uns einen Blick auf Neil Brummers Bericht werfen.«
Kelly wischte den Vorschlag mit einer Handbewegung beiseite. »Du hast im Moment andere Sorgen. Wir schaffen es schon. Wir haben ein paar Alternativen.«
»Das erwähntest du bereits, aber wir sollten uns trotzdem mal seine Zahlen ansehen.«
Kelly hielt kurz den Atem an, stieß ihn dann wieder aus und sagte: »Liv, ehrlich gesagt bräuchte ich erst einmal ein paar Stunden, um meine Post durchzusehen. Wenn ich das heute nicht auf die Reihe bekomme, habe ich nächste Woche keinen Überblick.«
Liv zögerte. »Würgst du mich etwa gerade ab?«
»Nein, ich versuche nur ein wenig Arbeit zu erledigen.«
Sie war nicht sauer, aber kurz davor. Gut, Kelly war völlig überlastet, Liv konnte das durchaus verstehen. An der Tür blickte sie nochmals zurück und schloss die Tür. Sie waren seit über dreißig Jahren befreundet. Liv wusste, dass Kelly sich Sorgen machte, sie wusste nur nicht genau, weswegen. Es gab unzählige Gründe dafür, die Firma, der Stalker, um nur ein paar zu nennen. Dann klangen wieder Jasons Worte in ihren Ohren nach, die er vergangene Nacht zu ihr gesagt hatte, und sie spürte einen Kloß im Magen. Wir würden vermutlich vor Langeweile umkommen, wenn du nicht ständig mit einem neuen Drama vor unserer Tür stündest . Gab es dort etwa auch Probleme? Mein Gott, hoffentlich nicht!
Es war Nachmittag, als Kelly ihre Post abgearbeitet hatte und Liv mitteilte, dass Jason irgendeinen Termin hatte und sie die Mädchen
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