Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
die Stelle, wo sie vor ein paar Stunden beschlossen hatte, nicht zum Polizeirevier zu fahren. War er ihr von dort an gefolgt? Sie blickte zum x-ten Mal prüfend in den Rückspiegel, sah Autos, Fahrräder und Fußgänger. Doch sie erkannte niemanden wieder.
Es war fast schon Mittagszeit, und auf der Straße war viel los. Menschen, die auswärts aßen oder im Park spielten, andere, die kurz anhielten, um Brot und Zeitungen zu kaufen und an den Automaten Bargeld fürs Wochenende zu ziehen. Langsam fuhr sie an den Geschäften vorbei, dann zwei Mal um den Block, bis Daniel einen geeigneten Parkplatz gefunden hatte. Sie parkte mit dem Heck zum Gehsteig in einer langen Reihe mit Autos, die Seite an Seite vor einem Café standen.
Er gab ihr eine Sekunde, damit sie noch einmal in den Rückspiegel sehen konnte. »Sind Sie bereit?«
Ihr Magen verkrampfte sich, doch sie wollte den Mann sehen, der sie angegriffen hatte. »Ja.«
Im Augenblick schien Daniels Theorie zu sein, dass der Übeltäter nicht an einer Konfrontation interessiert war – er wollte nur, dass sie wusste, dass er da war und sie bedrohte. Er hatte ihren Wagen am Fußballplatz entdeckt, entweder zufällig oder nach Plan, und möglicherweise reichte ihm das noch nicht. Vielleicht nahm er ja noch einmal Kontakt mit ihr auf, wenn er ihren Wagen auf einer bevölkerten Straße entdeckte.
Und genau dann wollten sie versuchen ihn zu stellen.
Das Café lag an der Ecke einer überdachten Arkade, durch die man zu den Parkplätzen auf der Rückseite gelangte. Sie liefen zum nächsten Gang, dann über den Parkplatz, machten kehrt und liefen zum Lokal zurück, sodass man sie von der Straße aus nicht sehen konnte. Sie fanden einen Tisch, von dem aus sie den Wagen beobachten konnten, und während Daniel auf seinem Handy die Kamerafunktion einstellte, suchte Liv Rachels Nummer, zögerte aber, bevor sie sie anrief.
Die endlosen, scheinbar ziellosen Fragen der Kommissarin, die offenbar keine Antworten fand, frustrierten sie. Sie wusste nicht, wie der Angreifer ihren Wagen gefunden hatte oder wann er ihr gefolgt war, sie wollte nur, dass Rachel endlich etwas unternahm. Also schrieb sie ihr eine Nachricht. Diesmal war es nicht im Büro! Er hat mir heute Morgen ein Foto von Sheridan Marrs Unfall gestern Abend an meiner Windschutzscheibe hinterlassen. Hat er meiner Freundin was angetan? Rachel, geben Sie mir Bescheid!
Während sie ihre kleine Digitalkamera überprüfte, um zu sehen, ob sie den Überfall im Parkhaus überstanden hatte, kam Rachels Antwort: Ich melde mich.
Das war keine Antwort, aber auch keine Frage.
»Rachel?«, fragte Daniel.
»Ja.« Sie wartete, während er Kaffee bestellte, und schmunzelte, als die Bedienung, eine Kleidergröße vierunddreißig, seine Statur begutachtete.
Als sie wieder weg war, fragte Liv: »Was ist das für eine Geschichte zwischen Ihnen und Rachel?«
»Da gibt es keine Geschichte.«
»Aber irgendwas ist doch da.«
Er rutschte ein wenig auf dem Stuhl hin und her. »Wir hatten vor einiger Zeit eine Meinungsverschiedenheit, seitdem reitet sie gerne darauf herum.«
»Wie oft sehen Sie sich?«
»Abgesehen von dieser Woche ist es ein Jahr her.«
»Welche Einzelheiten zu Ihrer Aussage wollte sie vor ein paar Tagen eigentlich überprüfen?«
Vielleicht lag es am Frageschwall, weshalb er zögerte. »Zeitfenster, Hintergrund, wie gut ich Sie kenne.«
»Ging es um was Persönliches?«
»Es war üblicher Polizeikram, denke ich.«
»Ich meine die Meinungsverschiedenheit.«
Er sah ihr in die Augen. »Ich hatte kein Verhältnis mit ihr, wenn Sie das meinen. Ich habe etwas getan, und ihr hat das nicht gefallen. Wir hatten ein paar hitzige Auseinandersetzungen, das hat es persönlicher gemacht, als nötig gewesen wäre.«
Liv wusste, dass berufliche Angelegenheiten manchmal in üble Kämpfe ausarteten. Und manche Menschen brauchten länger, um mit so etwas abzuschließen. Und vielleicht waren Cops und Feuerwehrmänner genauso davon betroffen wie Angestellte hinter einem Schreibtisch. Plötzlich verkrampfte sie sich und legte eine Hand auf ihre Kamera. »Schauen Sie.«
Ein Mann näherte sich ihrem Auto. Sie beobachtete, wie er die Straße fern der Fußgängerampel überquerte und zwischen den Lücken im Verkehr durchjoggte. Jetzt war er nur noch zwei Autos von ihrem entfernt, er rannte darauf zu, immer noch auf der Straße, lief an der Vorderseite der geparkten Autos vorbei und sah sich immer um.
Daniel nahm sein Handy. Liv schaltete
Weitere Kostenlose Bücher