Ich kann so nicht mehr arbeiten!: Freude und Sinn statt Seeleninfarkt (German Edition)

. Tatsächlich hatte er den Mechanismus des Egos entdeckt , nicht aber das Wesen des Menschen. Christoph Kolumbus, der einen anderen Seeweg nach Indien finden wollte, landete in Amerika und bezeichnete dessen Einwohner konsequent aber fälschlich als »Indianer«. Umwege zu gehen, ist menschlich. Bedrohlich werden Umwege indessen, wenn wir die in ihnen verborgenen Irrwege nicht erkennen und verlassen.
Unser Ego ist eine krankhafte Übersteigerung unseres Denkvermögens. Wir nehmen dies nicht wahr, weil die allermeisten davon betroffen sind. Deshalb halten wir es für »normal«.
    Tut mir leid, wenn Ihnen diese Erkenntnis missfällt. Das Ego gaukelt uns vor, dass Denken Sein ist. Albert Einstein bezeichnete dieses »Ich-Gefühl« als »die optische Täuschung des Bewusstseins«.
    Wenn das Denken alles dominiert, geraten Sie als Mensch beruflich aus dem Gleichgewicht. Übersteigertes Denken nehmen Sie als die ständige Stimme in Ihrem Kopf wahr, die besitzen will, die sich permanent mit anderen vergleicht und darüber nachgrübelt, was diese anderen wohl sagen und denken. Das ist das Ego. Es bestimmt darüber, wie es Ihnen geht. Es will anerkannt werden und alles unter Kontrolle haben .
    Wenn Sie dieses Denken bei sich feststellen, hat Ihr Ego Sie im wahrsten Sinne des Wortes fest im Griff. Ein durchschnittlicher Mensch bewegt pro Tag rund 60 000 verschiedene Gedanken in seinem Kopf. Die meisten davon beschäftigen sich mit der Vergangenheit – Dies und das habe ich schon geschafft oder erlangt. So und so hat man mich beurteilt. – oder mit der Zukunft – Das und das möchte ich erreichen und haben. Wie stelle ich das wohl am besten an? Wenn wir aber nicht in dem Maße anerkannt werden, wie wir es uns wünschen, oder wenn wir etwas nicht erlangen, wonach unser Herz uns drängt, ist es mit dem Spaß schnell vorbei. »Moment mal«, ich höre Ihren Einwand schon. »Früher war ich doch auch mit Spaß bei der Sache. Es sind die heutigen äußeren Umstände, die mich freudlos arbeiten lassen.« Ist das wirklich so? Haben Ihnen wirklich die Inhalte Ihrer Arbeit Freude bereitet? Oder waren es eher die Äußerlichkeiten, die Sie dafür erhielten oder sich davon versprachen?
Freudvoll und begeistert kann man nur »sein«, nicht aber« haben« oder »tun«. Deshalb ist Ihr Ego auch kein Monster, sondern nur die Stimme des ängstlichen Kindes in Ihnen, das ein Schutzschild in Form von Äußerlichkeiten sucht.
    Solange Sie Freude aus Äußerlichkeiten geschöpft haben, hat Ihr Ego nur das übliche Kinoprogramm in Ihrem Kopf abgespielt. Sie haben die Momente als freudvoll erlebt, in denen Ihre Wünsche erfüllt wurden, oder die äußeren Umstände, die Ihnen angenehm vorkamen. Es waren Augenblicke, in denen Ihr Ehrgeiz befriedigt wurde. Doch kurze Zeit später musste es schon wieder »mehr« oder »etwas Neues« sein.
    Als junge Anwältin schmeichelte es meinem Ego, dass ich aufgrund meiner China-Erfahrung in den Beirat einer Branchenorganisation berufen worden war. Auf der ersten Sitzung stellte ich jedoch enttäuscht fest, dass dort nicht wirklich etwas besprochen oder gar entschieden wurde. Der Vorstand führte aus, die Beiräte lauschten, stellten vorsichtig ein oder zwei Fragen. Dann ging man zum gemütlichen Teil über. Vor der ersten Sitzung war mein Ego mehr als zufrieden damit gewesen, das Label Beirat zu tragen. Nach der ersten Sitzung verlangte es, in das Gremium berufen zu werden, in dem diskutiert und entschieden wurde.
    Ihr Ego besteht aus einem Behältnis, nennen wir es Ihren Ego-Topf, dessen Inhalt sowie einem Füllmechanismus. Topf und Füllmechanismus sind bei allen menschlichen Egos identisch. Der Inhalt des jeweiligen Ego-Topfes ist sehr persönlich, beliebig groß und austauschbar. Auch die Rolle, die Ihr Denken in Ihrem Berufsleben spielt, ist individuell unterschiedlich. Dominiert es alles? Oder ist es mit den anderen drei Funktionen Wahrnehmen, Fühlen und intuitiv Wissen im Gleichgewicht?
    Da das Ego eine Konstruktion Ihres Verstandes ist, besteht der Ego-Topf nur aus Worten: ich, mir, mein, mehr als, besser als, größer als, ich will, ich brauche, ich habe, ich besitze .
    Der Füllmechanismus des Egos sorgt dafür, dass Ihr Ego-Topf immer gefüllt ist. Sie persönlich entscheiden, wie groß dieser Topf ist, also, wie viele Dinge darin sein müssen, damit sich das ängstliche Kind in Ihnen gut und beschützt fühlen kann. Der Füllmechanismus verbindet ich, mir, mein, mehr als, besser als, größer als,