Ich kann so nicht mehr arbeiten!: Freude und Sinn statt Seeleninfarkt (German Edition)
ich will, ich brauche, ich habe mit den Äußerlichkeiten, nach denen Sie streben und die Sie für sich beanspruchen. Meine Karriere …, Ich habe recht, Ich habe die Macht, Ich brauche mehr Geld, Ich will einen größeren Wagen, Mir steht eine Beförderung zu. Ich bin besser als mein Konkurrent, bedeutender als …, wichtiger als …, begehrenswerter als … Sie können diese Liste beliebig erweitern oder einschränken. Ihr Ego lebt davon, sich mit diesen äußeren Formen und Begehrlichkeiten zu identifizieren und als von anderen getrennt zu betrachten. Aber die äußeren Formen sind ihrer Natur nach veränderlich. Sie sind so flüchtig wie der Duft eines Aftershaves nach der morgendlichen Rasur oder eines Parfüms, das wir Damen aufzulegen pflegen, bevor wir ausgehen. Äußere Formen kommen und gehen, entstehen und lösen sich auf. Ein Karrieretraum, dessen Erfüllung gerade noch wahrscheinlich schien, zerplatzt durch ein gesundheitliches Handicap, einen unerwarteten Gewinneinbruch, eine Unternehmensfusion oder die Einstellung eines kompetenteren Kollegen. Weil die äußeren Formen, an die Sie Ihr Herz hängen, unerwartet verschwinden können, will Ihr Ego sie ständig aufs Neue bestätigt wissen.
Verschwindet etwas aus dem Ego-Topf, bemüht sich das Ego, das Verlorengegangene durch etwas Neues zu ersetzen, das möglichst gleich- oder höherwertig ist. Verändern sich beispielsweise die Höhe Ihrer Vergütung, Ihr Arbeitsinhalt, die Größe Ihres Verantwortungsbereiches, Ihre Machtfülle, Ihre Position in der Hierarchie oder Öffentlichkeit, die Größe Ihres Dienstwagens, Ihr Titel, Ihre Funktion, Ihre Ämter, Ihre Arbeitsbedingungen, Ihre Privilegien oder Ihr berufliches Ansehen nachteilig, macht sich Ihr Ego auf die Suche nach Ersatz. Findet sich ein höher- oder gleichwertiger Ersatz, ist Ihr Ego kurzfristig zufriedengestellt. Dann fühlen Sie sich gut und engagieren sich erneut. Die Plackerei scheint wieder Spaß zu machen. Wird kein zumindest gleichwertiger Ersatz gefunden, macht das Ego ein »Opfer« aus dem sich bisher gut fühlenden Arbeitenden. Das merken Sie zunächst daran, dass Sie plötzlich weniger Energie haben und sich schwerfälliger bewegen.
Für den Ego-Topf und seinen Füllmechanismus spielt es keine Rolle, welchen Inhalt Sie gewählt haben. Ihr Ego ersetzt die Zufriedenheit mit einer bestimmten Tätigkeit mühelos durch die Opferrolle.
Frank arbeitet seit mehr als fünfundzwanzig Jahren für einen international aktiven Konsumgüterkonzern in Deutschland. Er ist sowohl für den Verkauf von Privat-Label-Produkten (Hausmarken der Kunden) verantwortlich als auch für den einer Premium-Marke. Die ausländische Muttergesellschaft versteht sich als Markenunternehmen und wünscht den Verkauf von Privat-Label-Produkten eigentlich nicht. Da der deutsche Markt in diesem Geschäftsbereich des Konzerns jedoch eher privat-label-dominiert ist, wird das Geschäft mit diesen Produkten nach Bedarf wie ein Wasserhahn auf- und zugedreht, um das Geschäftsergebnis aufzubessern. Ist Frank aufgefordert, aktiv Privat-Label-Produkte zu vermarkten, zaubert er dank seiner Kontakte immer gigantische Umsatzzahlen aus dem Hut. Wird in einem darauffolgenden Geschäftsjahr Privat Label nicht mehr benötigt, weil die Markenprodukte gut laufen, managt Frank deren Rückbau und stürzt sich mit der überschießenden Energie wieder ganz auf die Premium-Marke. Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Das ist dem Kunden schwer zu vermitteln, vor allem, wenn man langfristige und stabile Partnerschaften anstrebt. Im eigenen Unternehmen wird Frank dafür bewundert, dass er die stetigen Strategiewechsel der Führungsspitze mitmacht und trotzdem motiviert, engagiert, fröhlich und dazu überaus erfolgreich bleibt. Frank denkt wie ein Leistungssportler und hat unterschiedliche Erfolgsstrategien. Damit er Spaß an seiner Arbeit hat, braucht sein Ego Wettbewerbssituationen, Ansehen und Erfolg. Verschwindet das Privat-Label-Segment für einige Zeit aus seiner Wettkampfarena, kann er es durch die Premium-Marke mit deren guten Umsätzen und Renditen ersetzen. Das ist für Frank ein zumindest gleichwertiger Ersatz. Sein Ego-Topf ist stets adäquat gefüllt. Kein Grund, sich als Opfer wahrzunehmen und den Spaß zu verlieren. Als Frank erfuhr, wie sein Denken funktioniert, verstand er zum ersten Mal, warum er in all den Jahren so gut mit diesem ständigen Hin und Her zurechtgekommen war.
Nicht nur Individuen tappen auf ihrem Berufsweg
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