Ich kenne dein Geheimnis
Mutter auch aufopfert, es ist nie genug.« Smeraldas Ton war schneidend scharf.
Anna und Titti musterten sie verwundert. Völlig unbeeindruckt nahm Smeralda ein hautenges Seidenkleid vom Ständer. »Außerdem
will ich meine Figur nicht ruinieren.« Selbstverliebt betrachtete sie sich im Spiegel.
Anna beobachtete sie und dachte daran, dass sie alles dafür tun würde, ein Kind zu bekommen. Vielleicht wäre das die |90| Rettung für ihre Ehe. Aber es klappte einfach nicht. Eine Adoption kam nicht in Frage, das Risiko, ein fremdes Kind aufzuziehen,
war ihr zu groß.
»Weißt du, Anna, in meinem Job genügt ein Kilo zu viel. Das war’s dann.« Smeralda sah ihre Freundin erwartungsvoll an, als
würde sie auf Zustimmung oder wenigstens auf Verständnis hoffen.
Anna nickte: »Sicher, im Fernsehen oder auf einem Foto sieht ein Gramm schon aus wie ein Kilo. Zum Glück bleibt es uns Normalsterblichen
erspart, aussehen zu müssen wie Magersüchtige.« Mit dem letzten Rest an Selbstachtung musterte Anna ihr Profil im Spiegel
und zog dabei den Bauch ein.
Wie im sechsten Monat, dachte sie, während Smeralda ihre Wahl getroffen hatte und Titti lächelnd das Seidenkleid reichte.
»Was meinst du? Ein Kleid für einen ganz besonderen Anlass …« Anna seufzte. »Donna Diabla ist wie für dich gemacht. Triffst
du dich mit deinem Produzenten?«
»Genau. Ein romantisches Abendessen zu Hause …« Obwohl Smeraldas Stimme gleichgültig klang, war Anna neidisch. Sie konnte
einfach nicht anders. Besser, einen langweiligen Geliebten als einen langweiligen Ehemann. Dem Ersteren konnte man wenigstens
jederzeit den Laufpass geben.
»Du Glückliche. Ich muss los.« Anna verabschiedete sich hastig und verließ die Boutique.
Sie befand sich an einem trostlosen dunklen Ort. Unter ihr staubtrockener rötlicher Boden. Plötzlich spürte sie, wie in ihrem
Körper etwas nach draußen drängte. Die Tritte wurden heftiger, der anfangs noch leichte Schmerz nahm zu und ließ sich schließlich
kaum noch ertragen. Instinktiv legte sie sich auf den Boden und spreizte die Beine. Während sie versuchte, dem Schmerz entgegenzuatmen,
spürte sie einen feuchtwarmen Lufthauch über
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sich, etwas Klebriges strich ihr über Haare und Hals. Als sie sich aufrichtete, sah sie eine riesige Hündin über sich, die
drohend die Zähne fletschte. Nicht jetzt!, schrie sie, aber sie konnte ihre Stimme nicht hören. Sie war stumm. Die Krämpfe
kehrten zurück, sie umfasste ihren Bauch mit den Armen und besudelte sich mit rotem Schlamm. Dann glitt ein schleimiges Etwas
zwischen ihren Beinen hervor, klebriges dunkles Blut lief ihr die Beine herunter. Sie hatte wahnsinnige Angst vor der Wahrheit,
doch ein letztes Mal gehorchte sie dem Instinkt, der gegen ihre Vernunft kämpfte, und blickte nach unten: Ein unförmiges,
gesichtsloses Etwas, von dickem, dunklem Blut umhüllt, war aus ihrem Körper geglitten und mit einem Plumps auf den Boden gefallen.
Bevor sie wusste, was geschah, beugte sich die Hündin über das blutige Etwas und biss ihm den Kopf ab. Die rote Erde öffnete
sich genau dort, wo sie lag, es tat sich ein Schlund auf und verschluckte sie. Wie eine Sternschnuppe stürzte sie ins Nichts,
sie spürte den peitschenden Wind auf ihrem Gesicht und die Kraft der Erdanziehung, die sie unwiderstehlich nach unten sog.
Mit der Geschwindigkeit eines abstürzenden Flugzeugs raste sie ins Dunkel und zerschellte am Boden.
»Wach auf, mein Schatz, aufwachen!« Eine wohlbekannte Stimme rief sie ins Bewusstsein zurück. Luft drängte mit Macht in die
Lungen, ihr Herz pochte wie verrückt. Sie öffnete die Augen. Obwohl ihr Blick von Tränen verschleiert war, erkannte sie den
Mann, der neben ihr am Bett saß.
»Du hast wieder einen Alptraum gehabt, Smery«, Lamberto De Gubertis zog sie an sich und strich ihr über die schweißverklebten
Haare.
»Es war furchtbar.«
»Wovon hast du dieses Mal geträumt?« De Gubertis wiegte sie sanft hin und her und trocknete ihre Tränen. Smeralda schüttelte
heftig den Kopf, sie konnte sich an keinen zweiten |92| Traum erinnern, aber offenbar war das eben nicht der erste in dieser Nacht. Sie versuchte, den Alptraum von eben zu verdrängen
und sah ihren Geliebten an. »Nichts.«
«Vielleicht solltest du mal zum Arzt gehen, damit er dir ein Schlafmittel verschreibt …«
»Vielleicht hast du recht«, stimmte Smeralda ihm zu und presste sich an ihn. Noch immer hatte sie Angst, im
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