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Ich kenne dein Geheimnis

Titel: Ich kenne dein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Zustand sehen könnte? Sie stellte das Blech auf den Tisch, nahm sich ein Messer und schnitt ein Stück Reisauflauf
     ab. »Nur eins, nur zur Beruhigung«, sagte sie sich. Der Auflauf war schon kalt, aber das war ihr egal. Wie ferngesteuert schnitt
     sie noch ein zweites Stück ab, dieses Mal ein größeres, und lud es auf den Teller. Während sie sich darüber hermachte, dachte
     sie an Giampiero, an ihre verzweifelten Bemühungen, ihre Ehe zu retten. Sie hatte alles versucht, selbst Rosys Kochkünste
     hatte sie bemüht. Aber sie erreichte genau das Gegenteil. Je verführerischer Rosys Gerichte waren, desto strenger wurde Giampieros
     Diät, von vegetarisch über makrobiotisch bis zu rohem Fisch.
    Amanda hatte ihr geraten, es mit Reizwäsche zu probieren. Noch heute sah sie Giampieros verblüffte Miene vor sich. Sein einziger
     Kommentar war gewesen: »Zieh dir etwas über, sonst wird dir kalt.« Gemeint hatte er wahrscheinlich: »Zieh dir etwas über,
     du bist mir zu fett.« Die Erinnerung an diese Szene wühlte sie so auf, dass sie quasi gezwungen war, sich ein drittes Stück
     abzuschneiden, welches sie, ohne zu kauen, in sich hineinstopfte. Mit Giampiero hatte sie noch nie gut reden können. Weder
     über Kultur noch über Politik, noch über irgendein anderes Thema. Das Thema Arbeit war sowieso |154| tabu. »Warum sollten wir darüber reden? Du verstehst doch sowieso nichts davon!«
    Ich muss mir ein Hobby suchen, mit dem ich mich ablenken kann.
Anna räumte Messer, Gabel und Teller beiseite. Mit bloßen Händen stopfte sie den Auflauf in sich hinein, direkt vom Blech.
     In ihrem Kopf herrschte Chaos, die Gedanken fuhren Karussell. Es musste doch irgendwo in ihrem Gehirn eine positive Erinnerung
     geben, an der sie sich festhalten konnte, damit es weiterging. Doch, es gab etwas. Ihr Kampf gegen die Fresssucht schien gewonnen,
     als sie einige Jahre nach ihrer Hochzeit begonnen hatte, sich wieder regelmäßig mit alten Freundinnen aus der Uni zu treffen.
     Sie besuchten Lesungen und gingen ins Theater. Zwei Jahre lang hatte die Clique sogar ein Abonnement für das Teatro Manzoni
     gehabt. »Wie in alten Zeiten, erst Kultur und dann ins Santa Lucia oder ins Paper Moon«, schwärmte sie ihrem Mann vor. Damals
     konnte sie noch elegantere Sachen tragen. »Du glaubst gar nicht, wie mich alle um dich beneiden! Sie meinen, du würdest besser
     aussehen als jeder Schauspieler. Wenn sie wüssten, dass du nur an deine Arbeit denkst …« Sie hatte ihn umarmt, doch er war
     steif wie eine Statue geblieben und hatte sie sanft, aber bestimmt von sich geschoben. »Ich tue das alles nur für dich, damit
     du alles bekommst, was du verdienst.« Diesen Satz hatte sie nie vergessen.
    »Alles, was du verdienst«, murmelte Anna sarkastisch und fraß weiter. Dann nahm sie den spärlichen Rest des Auflaufs und schmiss
     ihn wütend in den Mülleimer. Noch während sie den letzten Bissen hinunterwürgte, brach sie in Tränen aus und schlug die Hände
     vors Gesicht. Sie hatte eine weitere Schlacht gegen sich selbst verloren, doch es kam ihr vor, als hätte sie den ganzen Krieg
     verloren. Sie unterdrückte einen weiteren Schluchzer, öffnete den Kühlschrank und griff nach |155| einem Stück Grana Padano, ein paar Scheiben in Wachspapier eingewickelten gekochten Schinken und einem Büffelmozzarella. Als
     sie sich über das Eisfach hermachen wollte, überfiel sie eine Welle aus Scham und Ekel. »Nein, jetzt reicht’s!«, schrie sie
     und warf die Kühlschranktür zu. Doch, sie konnte den Zwang stoppen. Jederzeit. Der letzte Psychotherapeut, bei dem sie in
     Behandlung war, hatte ihr immer wieder gesagt, dass es nie zu spät war. Manchmal half bereits ein Gespräch, den selbstzerstörerischen
     Mechanismus zu unterbrechen, vielleicht mit einem Menschen, der einem nicht so nahe stand oder mit dem man schon länger keinen
     Kontakt hatte. Ihr fiel Maria Teresa Corsini ein, die damals die alte Clique zu Theater- und Diskobesuchen mobilisiert hatte.
     Sie hatte ihre Nummer sicher noch. Sie fand sie im Adressbuch des Handys, wählte und ließ es so lange klingeln, bis sie schließlich
     genervt aufgab. Wie blöd, zu glauben, dass Maria Teresa auf ihren Anruf wartete! Voller Scham wurde ihr bewusst, dass alle
     ihre Freundinnen berufstätig waren. Sie waren keine rundum versorgten Ehefrauen wie sie.
Ich muss etwas trinken
. Aufgewühlt und wütend auf sich selbst, ging sie ins Wohnzimmer, wo in der Bar eine noch ungeöffnete Flasche

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