Ich kenne dein Geheimnis
hatten ihm eines Tages
die Quittung präsentiert: Er würde immer riskantere Operationen durchführen und dafür immer besser bezahlt werden. Bis ihn
die gleichen Männer eines Tages in eine geheime Klinik in Rumänien gebracht hatten, wo ein hochspezialisiertes Ärzteteam zu
seiner Unterstützung bereitstand. Er sollte den leblosen Körper eines vierjährigen Kindes operieren, dessen Hirntod offiziell
noch nicht festgestellt worden war. Die Nieren sollten entnommen und einer fünfjährigen kleinen Französin eingepflanzt werden.
Der Eingriff war ohne größere Komplikationen verlaufen, und er war pünktlich bezahlt worden. Von da an war der Ablauf immer
der gleiche: Die schweigsamen Osteuropäer riefen Principini auf seinem abhörsicheren Handy an und holten ihn mit dem schwarzen
BMW ab. Dann der Flug mit der Falcon 900EX, die Landung auf dem Flughafen Bukarest-Otopeni und die Fahrt in die Klinik. Am
nächsten Tag ging es wieder zurück. Die Kinder, denen er die Organe entnahm, waren fast ausnahmslos an einem Schädel-Hirn-Trauma
gestorben, aber einen Totenschein gab es nie. Die finanziellen Transaktionen waren unterdessen immer komplizierter geworden,
das Geld floss über dubiose Kanäle und Scheinfirmen, und Principini selbst war immer tiefer darin verwickelt.
Als sie vor einer roten Ampel halten mussten, blickte er auf seine Audemars Piguet mit Platingehäuse. Sie waren bereits |188| seit vierzig Minuten unterwegs, und in dieser Zeit hatte ihn kein einziger Anruf erreicht. Auch Anna hatte sich noch nicht
gemeldet. Sie hatte sich in letzter Zeit seltsam benommen, war misstrauisch und aufbrausend. Daran war er natürlich nicht
unschuldig. Er hätte einfach raffinierter vorgehen müssen. Hier und da ein Kompliment, ab und zu den ehelichen Pflichten nachkommen,
das eine oder andere kleine Geschenk. Letzteres wäre die leichteste Übung. Während der Fahrer den Wagen parkte, überlegte
er, sie mit einer Einladung zu einem gemeinsamen Wochenende zu überraschen, in London oder Paris oder einer anderen Großstadt
ihrer Wahl.
»Ciao, Giampiero.« Anna wartete bereits in der Tür. Giampiero erfasste mit einem Blick, dass etwas nicht stimmte. Zunächst
einmal war sie noch angezogen und geschminkt, obwohl sie sonst um diese Urzeit bereits ihren Morgenmantel anhatte. Ungewöhnlich
war auch die Art der Begrüßung. Nicht nörgelnd, sondern kühl und distanziert. Seine lange unterdrückte Wut kochte hoch, es
gelang ihm aber, sich zu beherrschen. Besser so. Das übliche flüchtige Begrüßungsküsschen auf die Wange, dann zog er den Mantel
aus, ließ den Trolley im Flur stehen und ging ins Wohnzimmer, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. Anna sah ihm nach,
dann ging sie hinterher.
»Wie ist es gelaufen?« Ihre Stimme klang noch immer kühl.
»Gut, aber ich bin völlig fertig.« Giampiero nahm eine Flasche Wodka vom Servierwagen. »Möchtest du auch?« Er bemerkte, dass
die Flasche schon angebrochen war.
»Nein, danke.«
Dieses Mal konnte Giampiero seine Verwunderung nicht verbergen. Anna lehnte ein Glas Wodka ab?
»Was ist los, Giampiero?« Sie trat näher.
|189| »Nichts.«
»Du wirkst irgendwie angespannt.«
»Ich bin müde, Anna, das habe ich dir doch schon gesagt.« Giampiero setzte sich aufs Sofa. »Wann wollen wir essen? Ich möchte
heute Abend gerne früh zu Bett gehen, wenn es dir nichts ausmacht.«
Anna ging auf ihn zu, setzte sich aber nicht wie üblich zu ihm. Sie baute sich vor ihm auf, die Arme vor der Brust verschränkt.
»Ich habe der Köchin einen Tag freigegeben.« Ihre Stimme klang herausfordernd.
»Schön, was kochst du?«
»Nichts.«
Giampiero blickte verblüfft hoch und sah in die kalten, unerbittlichen Augen seiner Frau.
»Anna, hast du ein Problem?«
»Du vielleicht?«
»Wie viel hast du heute schon getrunken?
»Gar nichts. Überrascht?«
»Könnte man erfahren, was mit dir los ist? Was willst du eigentlich von mir?« Am liebsten hätte er sie durchgeschüttelt, aber
er riss sich zusammen.
Anna lächelte spöttisch: »Wo warst du?«
»O nein, nicht schon wieder eine deiner Eifersuchtsszenen!«
»Antworte mir!«
»Du bist ja paranoid!«
»Ich wünschte, es wäre so. Du ahnst gar nicht, wie sehr, mein Lieber.« Annas Ton war schneidend, sie ließ ihn nicht aus den
Augen.
Giampiero horchte auf, sie meinte es offensichtlich ernst. »Gut, Anna. Wenn du die Scheidung willst, von deinem fiesen Ehemann,
der dich immer nur
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