Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
Vom Netzwerk:
Chloe auf Jungs ab, und am besten gefiel ihr die Kombination aus beidem.
    Wenn wir zu Fuß unterwegs waren – von ihr oder mir zum Laden, um Zigaretten zu kaufen und vielleicht sogar Alkohol zu kriegen, oder von der Schule zu mir oder ihr nach Hause, oder ziellos durch die Straßen, im Kreis, die Arme ineinander verhakt wie ein Liebespaar oder zwei alte Damen – , hörten wir früher oder später immer ein bestimmtes Geräusch. Ein Wagen, der langsamer wurde und neben uns herrollte, mit johlenden und gestikulierenden Insassen, während der Fahrer den Motor aufheulen ließ, als wäre das mechanische Wirrwarr unter der Haube, das den Wagen vorwärtsbewegte, Teil seines Körpers und das Jaulen und Klopfen der Maschine eine Sprache.
    Sie fuhr voll darauf ab. Noch besser, wenn die Scheiben unten waren und die Musik auf die Straße herausdröhnte. Nackte Unterarme, die heraushingen, während die Handflächen in einem lässigen Rhythmus außen gegen die Tür klopften. Der Junge am Steuer – obwohl er auf uns wie ein Mann gewirkt haben musste – riss den Kopf herum. Nicht gerade eine Einladung. Eine Begutachtung. Sie hatte bestanden. Alle ihre Teile am richtigen Platz und bereit für eine genauere Inspektion ein anderes Mal.
    Ich konnte sehen, dass ihre Körperhaltung sich veränderte – ihr Kopf ging in den Nacken, ihr Kinn ragte vor, und ihre Augen wanderten fieberhaft umher: Sie schaute, und gleichzeitig schaute sie nicht. Sie wollte nicht zu interessiert wirken, obwohl sie mir kichernd einen Stoß mit dem Ellenbogen verpasste, als wir um die Ecke bogen, und manchmal drehte sie sich auch plötzlich um, stemmte die Hand in die herausgestreckte Hüfte, lächelte ihr strahlendes Lächeln und zeigte den Jungs den Stinkefinger. Es war ein komplizierter Tanz, dessen Schritte ich nicht kannte.
    Was mit mir war? Wahrscheinlich habe ich mich einfach von der Straße weggedreht und bin ein bisschen schneller gegangen. Ich war nicht schüchtern; ich hatte Schiss. Donald und Barbara machten mich gerne auf bestimmte Meldungen in den Nachrichten aufmerksam: junge Mädchen, die in Lieferwagen oder ins Gebüsch gezerrt wurden, denen man an stillen Orten auflauerte, denen man was Scheußliches zu trinken gab und die Kleider auszog. Bei ihnen klang es, als sei das unflätige Verhalten eines Jungen, ein Angriff, ein Übergriff, ein zu grobes Angrapschen in der Disko eine Art Initiationsritus, den ich nach Möglichkeit vermeiden sollte, auch wenn der Versuch nutzlos sein würde: Letzten Endes würden sie mich alle kriegen. Letzten Endes würden sie uns alle kriegen. Das war sicher.
    Chloe hatte keine Angst – es würde kommen, wie es kommen würde – , und sie stand auf dem Gehweg und sah grinsend zu den Autos und begrüßte es mit offenen Armen. Wenn ich alleine unterwegs war, hielt kein Auto. Wenn ich ohne Chloe mit Emma unterwegs war, hielt kein Auto. Es lag an ihr. An ihrem blonden Schopf, der die Sonne einfing, leuchtete und die Blicke auf sich zog. An ihrem Geruch. Sie war willig. Es gab Gerüchte über sie, und sie gab sich keine Mühe, sie zu bestreiten, obwohl ich nicht glaube, trotz ihrer hochgezogenen Augenbrauen und versteckten Anspielungen, dass sie viel Erfahrung hatte, bis ein Mann mit einer Maske ihr im Park auflauerte.
    Kurz darauf fingen die Treffen mit Carl an, der einen eigenen Wagen hatte und einen Job, der unser Handy-Guthaben auflud, uns mit Zigaretten versorgte und mit Alkohol mit Orangengeschmack. Wenn Chloe sich von zu vielen Flaschen übergeben musste, hatte er immer Pfeffermi nz für sie. Er war großzügig, manchmal mürrisch, tolerierte mich, manchmal Emma, und wollte nicht, dass wir wussten, dass er sich gern einen richtigen Bart hätte wachsen lassen.
    Das ist mein Geheimnis: Ich habe immer noch Chloes Handy. Lange Zeit wählte ich ihre Nummer, um ihre Stimme auf der Mailbox zu hören. Ich wette, ihre Mutter hat das auch getan. Früher dachte ich, ihre Ansage auf der Mailbox und alle Nachrichten, die die Leute darauf hinterließen, wären in dem Handy selbst eingeschlossen, wie Briefe in einem Briefkasten. Aus diesem Grund habe ich es ihr gestohlen. Ich war nicht scharf auf das Handy, sondern auf die Nachrichten.
    Aber inzwischen weiß ich, dass der Aufnahme-Service woanders sitzt, wahrscheinlich betrieben von einem Computer, der ewig hält. Ich weiß, als Polizist braucht man nicht mal das Handy, um die Nachrichten abzuhören, die für den Besitzer hinterlassen worden sind. Darum wundere ich mich

Weitere Kostenlose Bücher