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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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Die nasse Jacke würde in meiner Tasche die Schrift in den Schulheften verschmieren, und das wäre nur das eine Problem. Die Jacke würde außerdem riechen wie alte Vorhänge, wenn ich nach Hause kam, und Barbara würde sie kontrollieren, weil sie neu war, und sie würde es merken. Das wäre das andere Problem.
    Ich kämpfte wütend mit meiner Jacke und dachte an Chloe, die vom Unterricht freigestellt werden würde mit einem Baby. Ihre Eltern wussten wahrscheinlich inzwischen alles und riefen Barbara und Donald mitten am Tag an – oder kamen sogar persönlich vorbei. Sie würden sich lange unterhalten über schlechte Einflüsse und Debenhams und Dinge, die außer Kontrolle gerieten, und sagen, dass Chloe wieder die Schule wechselte und dass es wahrscheinlich das Beste sei, den Kontakt abzubrechen.
    Barbara würde nicken und mitfühlend dreinschauen und sich für die Mühe bedanken, die sie sich gemacht hatten, und anschließend würde sie nach oben gehen und sämtliche Zeitschriften, Poster und Haarsprays aus meinem Zimmer entfernen. Ich konnte es mir bildlich vorstellen. Wenigstens würde ich den ganzen Tag Ruhe haben in der Schule, bevor ich mir zu Hause einen Anschiss holte wegen der Jacke und der Hefte und Chloe. Diese blöde Emma. Seufzend drehte ich die Jacke von innen nach außen, damit die feuchte Seite nicht mit meinen Heften in Berührung kam, bevor ich sie ganz klein zusammenrollte. Als ich den Kopf hob, war die Registrierung vorüber, und alle waren gegangen, während Shanks mich anstarrte.
    »Du reißt die Jacke noch in Fetzen«, stellte er fest. »Lass sie in meinem Büro, wenn du so entschlossen bist, das Gesetz zu befolgen.«
    »Danke, Sir.«
    Wir gingen zu seinem Büro.
    »Du hast das mit Chloe gehört, nicht?«, sagte Shanks und schüttelte den Kopf.
    Ich nickte. »Emma war … «
    »Emma ist wohl ihre beste Freundin?«
    Ich würdigte das nicht mit einer Antwort.
    »Sie ist im Krankenhaus«, sagte Shanks. »Aber kein Grund zur Sorge. Es ist nichts Ernstes. Ich rechne damit, dass sie noch diese Woche in die Schule zurückkommt.«
    »Sir, es hat doch nichts mit einem Baby zu tun, oder?«, fragte ich und biss mir sofort auf die Unterlippe in der Hoffnung, dass er mich nicht gehört hatte.
    Shanks erwiderte nichts. Er setzte sich auf seinen Stuhl, lehnte sich zurück und beschäftigte sich damit, die Sachen auf seinem Schreibtisch neu zu ordnen. Darauf standen Tassen und Becher mit Kugelschreibern, Bleistiften und Pinseln, ein Aschenbecher, leere Wasserflaschen und bewegliche Holzmodelle für den Zeichenunterricht, außerdem halb gegessene Äpfel und Gläser mit Gummibändern und anderem Krimskrams. Er schob alles vor und zurück, ohne mich anzusehen. Shanks war der einzige erwachsene Mann, den ich kannte, der nach den Überfällen keine Angst hatte, mit einem von uns Mädchen alleine zu sein. Ich musste daran denken, wie der Wachmann seine Hand von meiner Schulter genommen hatte, als wäre ich eine Bombe, die gleich explodieren könnte. Vielleicht bedeutet das, Shanks ist der Triebtäter. Bei dem Gedanken rieselte mir ein kalter Schauer über den Rücken.
    »Das ist eine Frage, nicht wahr?«, sagte er und hielt plötzlich inne. Ich zuckte zusammen, biss auf die Innenseite meiner Wangen und wartete.
    »Nein«, sagte er schließlich. »Es hat nichts zu tun mit einem Baby. Weder mit ihrem noch mit sonst einem Baby. Keine Babys involviert. Was, deinem Gesicht nach zu urteilen, eine große Erleichterung zu sein scheint.«
    »Ja«, sagte ich und schaute auf seine Hände, die nun nicht mehr irgendwelche Sachen hin und her schoben, sondern auf seinen Knien ruhten. Unter seinen Fingernägeln war Farbe, und dabei hatte er heute noch gar nicht angefangen zu unterrichten. Das musste bedeuten, dass er keine Nagelbürste benutzte, oder er malte zu Hause, noch vor dem Frühstück.
    Ich stellte mir vor, wie er einen Pinsel in weiches Eigelb tunkte und etwas auf eine Toastscheibe malte. Ich fragte mich, ob er eine Frau hatte oder eine Freundin, mit der er zusammenwohnte. Selbst die netten Lehrer waren immer ein bisschen geheimnisvoll. Sie wussten immer viel mehr über uns als wir über sie, was irgendwie unfair war.
    »Falls du Chloe vielleicht besuchen gehst«, sagte Shanks vorsichtig, »könntest du ihr ausrichten, auf deine eigene unverwechselbare Art, mit all der Anteilnahme und Raffinesse deines Geschlechts … «
    Ich wurde rot. Ich konnte nicht glauben, dass er mich in sein Hinterzimmer geführt hatte und

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