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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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hinterzogenen Millionen und einem gut gefälschten Paß im Flugzeug nach Australien saß, um dort ein neues Leben zu beginnen.
    Ein überaus logischer Schluß, denn Mugalle mußte ja davon ausgehen, für seine Manöver nicht unbegrenzt Zeit zu haben, hatte ja damit zu rechnen, daß es Jossa schließlich doch mal gelang, jemanden zu finden, der seinen Beteuerungen Glauben schenkte, nicht Mugalle zu sein, der alles auffliegen ließ.
    Chantal hatte er also geopfert… Weil er eh genug von ihr hatte oder gezwungenermaßen, das konnte dahingestellt bleiben.
    Beide hatten ihre Schuldigkeit getan, Chantal wie er, beide waren sie für ihn, Mugalle, bedeutungslos geworden.
    Aber vielleicht hatte er bei Mugalle doch die berühmte «menschliche Regung» gegeben, hatte er es eingeplant gehabt, daß Chantal als große Retterin nach Bramme kam…?
    Wie auch immer, knappe vierzehn Tage noch, dann war sie hier, dann war alles ausge- und überstanden.
    Er riß vor Freude die Arme hoch, sprang an die Decke, war so von ekstatischem Jubel erfüllt wie damals bei den Jugendmeisterschaften: Erster über 1000 Meter – Jens-Otto Jossa (Hannover 96)!
    Er drückte die «Ampel», die Notrufanlage, und konnte es gar nicht erwarten, Kassau zu sehen.
    «Was ist denn nun schon wieder, Mann!?»
    «Ich erkläre hiermit, daß ich meinen Hungerstreik beendet habe!» sagte Jossa mit einem Anflug von Feierlichkeit.
    Kassau strahlte. «Na, prima! Dann komm man gleich mit ins Krankenrevier…»
    Dort maß die Ärztin nochmals Puls und Blutdruck und gab ihm dann ein Päckchen Kinderbrei mit auf die Zelle, auf daß sich sein Körper langsam wieder ans Essen gewöhnte.
    Das tat er dann auch, und das Knastleben ging weiter, so monoton wie Monde ihren Planeten umrunden.
    Erst am Freitagabend gab es eine kleine Unterbrechung, als sich nämlich der Brammer PEN- und Dichter-Star Rudolf C. Truper (Moorgedichte, 1969, Begegnungen im Reich der Toten, Roman, 1972, Büssenschütt-Preis der Stadt Bramme) zu einer Lesung im Gemeinschaftsraum des B-Flügels einfand, von Zweeloo mit überschwenglicher Freude begrüßt. In Wahrheit haßte er den Oberliteraten, hätte ihn am liebsten nach Feuerland verbannt, mußte aber taktieren, den rot-grünen Leuten in Stadt- und Anstaltsbeirat auch mal eine kleine Freude machen, sie mit einer Dosis Truper ruhigstellen.
    «Dann werde ich mich mal auf euerm JVA-intern erstellten Sitzmöbel niederlassen», sagte Truper und buchte damit schon die ersten Lacher, wußte, wie man hier zu sein hatte. «Meine Geschichte heißt Kein Hurra für Herostratos, und die vielen Pyromanen unter euch, die Zündler also, die wissen ja auch, was das für ‘n Knabe war: ein alter Grieche, der 356 vor Christus den Artemistempel in Ephesus in Brand gesteckt hat, um für alle Ewigkeiten ein berühmter Mann zu sein, unsterblich. Und ist er ja auch, siehe meine Story. Nun glaubt mal bitte nicht, daß ihr das auch schaffen könnt, wenn ihr hier das Brammer Rathaus anzündet… Würde ja auch schlecht brennen… unsere Bürokratie, dieser Wasserkopf…»
    Zwanzig Knackis klatschten Beifall, und auch Dr. Seeling war, wie Jossa sah, sehr angetan von dieser Eröffnung, zumal der Anstaltsleiter Mühe hatte, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
    Was Truper nun las, war die Geschichte eines Brammer Oberstudienrats, der vor Abiturienten über die «BRD» (so auch an die Tafel geschrieben) wortwörtlich geäußert hatte: ‹Ja, liebe Leute, wie ist das bei uns mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung? Ganz einfach: Alle Macht geht von den Banken und Konzernen aus – und das Volk will es so. › Ein rot sehender Vater, ein überreagierender Rektor, viel Beifall für den Pädagogen, leider aber von der falschen Seite, und schließlich eine Maßregelung dahingehend, die verbleibenden Dienstjahre bitte schön an einem Schulverwaltungsschreibtisch absitzen zu wollen. Der Mann nun, siehe Herostratus, will sich und seiner Sache für alle Zeiten ein Denkmal setzen und macht sich daran, sein Gymnasium in Brand zu stecken. Schon steht alles lichterloh in Flammen, da sieht er seinen Rektor bewußtlos-betrunken vor dem Lehrerzimmer liegen. Was soll er nun tun: den retten, der ihn abgeschossen hat, oder ihn verbrennen lassen und unerkannt entkommen?
    Truper sah seine Zuhörer an, machte eine kleine Atempause und trug dann, ohne noch einmal nach unten auf sein Buch zu schauen, mit einigem Pathos die beiden letzten Sätze vor.
    «Ich habe nur das Recht, eine bessere Welt zu

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