"ich lerne: gläser + tassen spülen": Briefe 1923?1956 (German Edition)
»3-Groschen-Oper«. Leider stimmt Hogans Adresse, scheint es, nicht ganz. Die Post will den Brief nicht annehmen.
Ich bin schon müde und habe die »Malfi« satt.
Über »Galilei« höre ich morgen.
Liebe Heli
bidi
1
Der Brief der Ärztin und Freundin Leopoldine Breiner, die Helene Weigel behandelt (vgl. Brief Nr. 139), ist nicht überliefert.
2
Im Frühjahr 1946 entsteht Die Ballade vom angenehmen Leben der Hitlersatrapen (Erstdruck am 12. Mai im Argentinischen Tageblatt ). Es gibt auch eine Neufassung der Ballade vom angenehmen Leben und der Ballade, in der Macheath um Verzeihung bittet .
158 6. April 1946 (Poststempel des vermutlich dazugehörigen Briefumschlags); A: New York, E: Santa Monica, masch. mit hs. Zusätzen / Vermerk der Vorbesitzer auf dem Umschlag: »Brief war ungeöffnet« ( BBA )
Liebe Heli,
ich schreibe, was ich weiß, über den »Galilei« an Dich in deutsch, weil ich niemand hineinsehen lassen will und allein nicht übersetzen könnte. – Ich habe O[rson] W[elles] nie mehr gesehen, nachdem es das erste Mal so enorm schwierig war, ihn zu treffen, und er wollte ja auch mit A. Wood den Produktionsvertrag ausarbeiten. Mit Wood besprach ichkurz einige Sicherungen, die ich für den Vertrag vorschlug. (Konventionalstrafe bei Verzug, sofortiges Engagement Laughtons, Miete eines Theaters.) Wood sah O. W. dann auch lange nicht, oder überhaupt nie, sie scheniert sich vielleicht, das zuzugeben; jedenfalls verhandelte sie, ebenfalls mit großen Unterbrechungen, mit O. W.s business manager, einem Mr. Wilson, den sie »charming, but not very experienced« nennt. O. W. beabsichtigt anscheinend einen gigantischen Zirkus aufzuziehen, so daß die Produktion so extravagant teuer würde, daß sie unter einer Laufzeit von 2 Jahren (zu denen sich L. verpflichten müßte (was eine unverschämte Zumutung ist) sich überhaupt nicht rentieren könnte (aber auch dann, wenn einmal für 2 Wochen die Einnahmen sänken, kaum gehalten werden könnte). O. W. hat ja schon im Januar einmal angedeutet gehabt, er sehe 2 Möglichkeiten, heavy und weniger heavy, für die Produktion. Jetzt scheint er nur noch die ganz heavige zu sehen. Ich halte das auch künstlerisch für falsch. Die Sache muß nicht nach einer viertel Million stinken. – Laughtons Meinung, O. W. würde, einmal in der Produktion, viel verläßlicher und prompter sein, scheint mir nur was die künstlerische Seite der Arbeit anlangt berechtigt. In allem Geschäftlichen würde er auch dann erratisch bleiben, d. h. Laughton würde genau die Schwierigkeiten (immer weitere Geldbeschaffung, Umorganisation usw.) während der Proben kriegen, die er so fürchtet (mit Recht fürchtet). Kurz, es scheint mir mehr und mehr falsch, auf eine alleinige Produktionsleitung durch O. W. einzugehen, umsomehr als Welles alle zur Verfügung stehende Zeit dazu benötigt, artistisch sich vorzubereiten, da er natürlich nicht imstande ist, den »Galilei« zu improvisieren . So gern ich ihn als Regisseur hätte, ich sähe ihn lieber nicht als Regisseur als als Produzent-Regisseur. Wirklich brauchen tun wir ihn keineswegs. Die künstlerische Aufgabe benötigt kein überirdisches Genie (das Stückbraucht nicht gerettet zu werden), wohl aber Arbeit und eine ruhige Arbeitsbasis. Jedoch meine ich nach wie vor, daß wir O. W. als Regisseur auch bekommen können, wenn wir [ihn] nicht als alleinigen Produzenten akzeptieren. Bisher hat er nur L.s Ängstlichkeit ausgenutzt, ich meine L.s Ängstlichkeit, ihn zu verlieren. Mir gegenüber, der ich diese Ängstlichkeit nicht zeigte, war er nicht so imperialistisch. Er bleibt natürlich ein Bohemien (der zwanziger Jahre) und er hat (vielleicht liest Du das besser nicht vor) so viel Gewissen wie mein Drehstuhl in Santa Monica. Die Wood, eine durchaus vernünftige und anscheinend verantwortliche Frau, hat praktisch jede Hoffnung aufgegeben. Ich nicht, d. h. wenn wir fester auftreten (und eventuell jemand anderen nehmen). Ich wünschte, Laughton hätte mir erlaubt, ihm diese Situation zu ersparen. Ich habe nicht im geringsten interveniert, auch keinerlei Ungeduld gezeigt. Ich bin nicht wirklich interessiert, O. W. zu bekommen, ich brauche für den »G[alilei]« nur Laughton.
Rufe Dich morgen an und freu mich darauf. Bitte, werd nicht ungeduldig, ich bin es auch. Ich arbeite wie ein Pferd, desto mehr, je vager der »Galilei« wird.
Und ich küsse Dich, Helli,
b
Bitte, schreib.
Danke für die Zettel,
gib acht auf
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