Ich liebe dich, aber nicht heute: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
gekommen?«
Das wusste sie selbst nicht so genau. Es war eher ein Gefühl, keine wirkliche Entscheidung. Oder doch, aber die Entscheidung hatte Alfred Weißhaupt für sie getroffen.
Sie schaute sich nach hinten um und ließ ihren Blick durchs Zimmer schweifen. Die Aktentasche lag auf einem Hocker. »Ich dachte, in der Tasche sei was Wichtiges drin.«
»Die hättest du auch schicken können.«
»Die hätte allein den Weg nicht gefunden.«
Riley musste lachen. »Also habe ich dich dem Menschen zu verdanken, der seine Aktentasche auf deinem Stuhl vergessen hat.«
Er nahm das Glas, prostete zuerst der Aktentasche und dann Liane zu.
»Du verwöhnst mich«, sagte sie, nachdem sie einen Schluck genommen hatte. »Der schmeckt wirklich hervorragend.«
»Du weißt ja noch nicht, wer die Rechnung bezahlt.«
»Na ja, vielleicht ist in der Tasche die Information zu einem satten Schweizer Konto? Dann hat sich das Problem von allein gelöst.«
Liane stand auf und holte die Tasche. Sie liebte es, barfüßig über Böden zu gehen, die bemalten Fliesen des Balkons, das warme Parkett des Zimmers unter ihren Fußsohlen zu spüren.
»Gehst du gern barfuß?«, fragte sie Riley, als sie zum Tisch zurückkam.
»Ja«, antwortete er. »Vor allem am Strand und im Gras. Feuchter Morgentau auf den Grashalmen, das Moos unter den Füßen – zu spüren, dass die ganze Welt um dich herum lebendig ist … ja, der Waldboden unter den nackten Füßen, das ist ein wunderbares Gefühl.«
»Das kann man mit Geld nicht kaufen.« Liane gab ihm die Aktentasche.
»Man kann so vieles mit Geld nicht kaufen«, fuhr er fort. »Das Gefühl, angekommen zu sein. Das Gefühl, jemanden liebzuhaben. Das Gefühl, geliebt zu werden.« Er lächelte in sich hinein, und wieder überlegte Liane, an wen er wohl dachte.
»Aber für manch schönes Gefühl braucht man leider Geld«, sagte sie. »In einem großartigen Konzert zu sitzen, sich in einer schönen Wohnung geborgen zu fühlen, die Welt anzuschauen.«
»Reist du viel?« Riley drückte wie schon Liane den Silberverschluss auf der Vorderseite der Aktentasche zusammen. Ergebnislos. Dann nahm er die Tasche hoch und hielt sich den Verschluss vor die Augen. »Schwer ist sie ja nicht«, sagte er. »Goldbarren können es also nicht sein.«
»Aber vielleicht ist eine Adresse drin? Dann können wir sie zumindest zurückschicken.« Liane beugte sich zu ihm hinüber.
»Hast du eine Haarnadel?«, fragte er.
Liane griff sich ins offene Haar. »Jetzt gerade nicht.«
»Französinnen haben so etwas immer griffbereit.«
»Ach ja?«
»Ja, Französinnen stecken ihre Haare gern hoch. Deutsche Frauen nicht?«
»Ein Haargummi könnte ich bieten.«
Er grinste. »Oder eine Heftklammer vielleicht?«
»Zu Diensten, Sekretariat Riley.« Liane überlegte. Doch, das könnte sogar sein. Waren nicht die Unterlagen von Frau Söllner mit einer Büroklammer zusammengeheftet worden?
»Augenblick.« Sie stand auf und kam gleich darauf mit einer Heftklammer zurück. »Et voilà!«
»Gut!« Er bog sie sich zurecht und begann in den beiden kleinen Öffnungen der Schlüsselstifte herumzubohren.
»Was bekomme ich, wenn ich es schaffe?«, fragte er zwischendurch und schaute hoch.
Liane hatte die Füße auf die Balustrade gelegt und beobachtete das Treiben auf der Piazza. Es war einfach schön hier, einfach nur schön. Was hatte sie für ein Glück, dass ihr Leben plötzlich so Vollgas gab!
»Wenn du sie aufbekommst, darfst du das Abendprogramm bestimmen«, sagte sie in generösem Tonfall.
»Ach so«, murmelte er. »Das hätte ich ohnehin.«
»Aha!« Liane sah zu ihm hinüber. »Das fängt ja gut an. Gerade noch liberaler Engländer, und schon schlägt die Oma durch!«
Er lachte, da machte es »klick«.
»Gut, dann äußere ich jetzt meinen Wunsch«, erklärte er und hob das Leder mit dem offenen Verschluss etwas an. »Ich zeige dir, dass man auch ohne Geld ein Konzert hören kann.«
»Ein Straßenkonzert?« Sie nahm die Beine herunter und rückte ihren Stuhl heran. »Oder auf der Straße vor einem Amphitheater?«
»Lass dich überraschen!« Und damit schlug er den Lederverschluss zurück und schaute von oben in die Tasche. »Schon mal nicht schlecht«, sagte er und blickte Liane verschmitzt an.
»Das machst du extra«, sagte sie und verzog das Gesicht.
»Was?«
»Mich auf die Folter zu spannen, das weißt du ganz genau!«
Sie überlegte noch, ob sie das auf Englisch wohl richtig gesagt hatte, da zog er schon mit zwei
Weitere Kostenlose Bücher