Ich liebe dich, aber nicht heute: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
in allen Ehren, aber ein Profi lässt nicht locker, bis er gefunden hat, wonach er sucht.«
»Woher soll ich wissen, wonach er gesucht hat?«
»Gibt es irgendwelche Urkunden oder Fotos, die so wichtig sein könnten, dass jemand einen Profi anheuert, um sie zu kriegen?«
»Falls heute Nachmittag kein Fotograf dabei war, gibt es keine brisanten Fotos.« Sie konnte nicht anders, sie musste schon wieder lachen. »Es ist so aberwitzig, dass es irgendwie irreal ist!«
»Was? Unser Treffen?« Seine Stirn legte sich in Falten, glättete sich aber gleich wieder.
»Nein«, sagte sie versonnen, »unser Treffen war phantastisch!« Sie legte ihre Hand kurz auf seine. »Ich spüre dich jetzt noch.«
»Es musste so sein. Schon als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich, dass du besonders bist.«
»Du hast gelauscht!«
»Ja, stimmt. Und ich habe mir meine Gedanken gemacht.«
»Und dir deine Chancen ausgerechnet.«
Jetzt griff er nach ihrer Hand. »Unsere Chancen. Unsere Chancen auf eine außergewöhnliche Begegnung, auf Momente, die sich wie ein heißes Eisen ins Gedächtnis einbrennen, Bilder, die wir immer wieder ablaufen lassen können, wenn es im Bett langweilig wird, Empfindungen, die ein ewiges Feuer sind? Über diese Chance habe ich nachgedacht.« Er hatte sich zu ihr hinübergebeugt, der ganze Mann war eine einzige Emotion. »Wir könnten hier mitten in deinem Kleiderhaufen Sex haben, aber das wäre nicht das Gleiche. Vielleicht noch auf dem Balkon im Dunkeln, während unten auf der Gasse das Leben tobt, alles wäre möglich, aber nichts käme an unseren ersten Nachmittag im Güterwaggon heran, an diese Ausnahmesituation, an dieses Ausgeliefertsein, das du prickelnd findest, weil du eine starke Frau bist und dich sonst nie ausliefern würdest, weil deine innere Einstellung dir sagt, wo die Grenze ist, wie weit du dich fallen lassen darfst, ohne dich und deine innere Haltung aufzugeben, was du einem Mann offenbaren kannst und was nicht. Und diese Grenze hast du heute Nachmittag überschritten, du hast dich einfach hingegeben. Ich glaube, das hat noch kein Mann vor mir erlebt.«
Liane schluckte. Er hatte recht. Es war nicht nur Marius gewesen, der mit angezogener Bremse über die Autobahn geschlichen war, sie war es auch gewesen. Wie zwei Rentner hatten sie nebeneinandergelegen und auf das jeweilige Erwachen des anderen gewartet.
»Du hast recht«, sagte sie und lehnte sich etwas über den Tisch zu ihm. Sie war ihm so nah, dass sie seinen Atem roch, der sie an Fruchtfleisch erinnerte, als hätte er eine Mandarine gegessen. »Ich habe meine Position erkämpft, im Leben, in der Firma und in meiner Beziehung. Und wenn du weich wirst, wirst du ausgebootet, fällst du hinten runter.«
»Aber doch nicht in der Liebe.«
»Weißt du, wie es ist, wenn du einem kleinen Kind eine Gutenachtgeschichte vorliest?«
Er antwortete nicht.
»Du musst sie immer und immer wieder lesen, und wenn du einen Satz überspringst, weil du sie selbst schon nicht mehr hören kannst, kommt sofort Protest!«
Seine Augen sahen sie an.
»Ich hatte vor vielen Jahren einen Freund, mit dem hatte ich bei einer Wanderung hinter einer kleinen Tanne Sex. Die Folge war, dass er mir sechs Jahre lang bei jeder Tanne sagte, weißt du noch und man könnte doch wieder, bis ich keine Tannen mehr sehen konnte. Seitdem meide ich den Schwarzwald!«
Jochen musste lachen. »Das ist nicht wahr!«
Liane zuckte mit den Schultern. »Wehret den Anfängen.«
»Wehret den Anfängen?« Jochen nahm ihr Gesicht in beide Hände. »Wehret den Anfängen würde bedeuten, dass man nie etwas Außergewöhnliches anfangen darf, weil es sofort zum Standard erklärt wird, meinst du das?«
Liane nickte.
»Gehst du jetzt davon aus, dass ich dich die nächsten sechs Jahre mit ›oh, schau doch mal, da ist ein Güterwaggon‹ auf jeden einzelnen Güterwaggon hinweisen werde?«
»Die nächsten sechs Jahre?«
»Ah, da wirst du hellhörig, stimmt’s?«
Liane lehnte sich zurück. »Ja, vielleicht.«
»Du willst, dass wir eine einmalige Sache bleiben, dass ich verschwinde und nur noch diese einzige Erinnerung existiert.«
»Ich habe noch nie einen Mann reden hören wie dich.«
»Vielleicht hast du noch nie mit einem Mann geredet.«
Sie griff nach ihrem Bierglas und drehte es in den Händen. »Vielleicht hast du recht.«
»Womit? Dass wir eine einmalige Sache bleiben sollen? Dass es weltweit nur einen einzigen Güterwaggon geben soll und keine Züge?«
»Auch da
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