Ich liebe dich, aber nicht heute: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
…«
»Liane. Es gibt wenige Frauen, mit denen man seine Phantasien ausleben darf. Meine Phantasie ist, dass du die Geheimnisvolle bleibst. Ich will nicht wissen, welches Lieblingsgericht du hast, ich will nicht wissen, welches Waschmittel du verwendest und zu welchem Friseur du gehst. Und die Frage, wer den Müll runterbringt, könnte mich auch schnell langweilen. Ich möchte nur die Marke deines Parfüms und deiner Unterwäsche kennen. Mehr nicht.«
Liane betrachtete ihn eine Weile. Er hielt ihrem Blick stand. Ein Gesicht mit dunklen Augen und einem vollen, weichen Mund. Jochen saß vor ihr und wartete einfach auf ihre Antwort. Liane schob das Glas zur Seite.
»Mein Parfüm musst du erraten und meine Unterwäsche auch.«
»Das ist mir heute nicht gelungen …« Er grinste, und Liane hätte ihn am liebsten geküsst. Er war so herrlich von sich eingenommen, dachte sie, verwarf den Gedanken aber sofort.
»Was denkst du?«, fragte er sie.
»Ich habe eben gedacht, dass du herrlich von dir eingenommen bist.« Sie staunte über sich selbst. Gedanken auszuplaudern, die verletzen könnten, das hatte sie bisher noch nie getan.
»Und?«
»Und gleich darauf habe ich gedacht, dass das ein falscher Eindruck ist. Du bist nicht von dir eingenommen, du bist einfach nur selbstsicher. Du ruhst in dir, und alles, was da kommt, ist in Ordnung. Und wenn es nicht kommt, würdest du das auch akzeptieren. Ich glaube, du lebst in der totalen Gegenwart.«
»Analysierst du mich gerade?«
Liane zuckte mit den Schultern.
»Ich werde dir aber weder mein Lieblingsgericht noch meinen Friseur verraten. Und auch sonst nichts«, sagte er.
»Du bist Volkswirt, das hast du schon gesagt.«
»Was ein unverzeihlicher Fehler war. Ein Beruf lässt auf den Menschen schließen, auf seinen Charakter. Ein Volkswirt – da wird es doch gähnend langweilig. Zahlen, Statistiken, Analysen. Vergiss meinen Beruf. Ich bin der Mann, der plötzlich da ist. Der dich nachts in einem öffentlichen Schwimmbad liebt. Oder in einer Fischerhütte am steinigen Strand. Oder dich in ein tiefes Gewölbe entführt, in dem es nur Kerzen, raue Wände und Wein gibt.«
Liane spürte, wie die Aufregung nach ihr griff. Schon begann ihr Unterleib zu pochen, und sie sah die kleine Furche zwischen seinen Augen. Sein fester Blick war suggestiv, er gab ihr eine Richtung vor, und sie folgte seinen Gedanken. Und zwar so, dass ihr Körper sofort reagierte.
»Denkst du gerade an das Gewölbe? Dunkel, feucht und voller Schatten? Geräusche, die man nicht kennt? Und Nischen, in denen flackernde Kerzen stehen und auf einer Kiste eine verstaubte Flasche Wein mit zwei funkelnden Gläsern … und dort, in der Ecke, die schimmernden Glieder, sind das Ketten?«
»Ja, vielleicht.« Sie senkte die Stimme. »Vielleicht sind es Ketten. Und vielleicht warten dort Handschellen auf dich, denn … wolltest du nicht gefesselt werden?« Sie ließ ihn nicht aus den Augen, aber auch diesmal zuckte er bei ihrer Andeutung nicht mit der Wimper.
»Ich sehe, du hast das Spiel begriffen«, sagte er und schaute nach oben in den Himmel. »Es wird bald dunkel, und du solltest nicht allein hierbleiben. Also könnte ich die Nacht bei dir verbringen, was gegen die Spielregeln verstoßen würde, im Falle eines erneuten Einbruchs aber vielleicht hilfreich wäre. Oder du verlässt das Haus, bis die Tür ausreichend gesichert ist.«
»Ich stelle von innen einen Stuhl unter die Klinke, dann …«
»Wir sind hier nicht bei Hanni und Nanni. Stuhl unter die Klinke kannst du vergessen, und helfen kann ich dir nur, wenn ich weiß, worum es geht.«
»O nein. Kein Lieblingsgericht, kein Friseur und keine Offenbarungen, das hast du selbst gesagt. Ich bleibe Madame Geheimnisvoll, bei der zwischendurch eingebrochen wird. Ist doch spannend. Und du bleibst Mr Blizzard, der zwischendurch wie ein Sturm meine sexuelle Phantasien in Aufruhr versetzt.« Bei dem Satz musste sie selbst lachen. »Wie sich das anhört.«
»Gut. Dann packst du jetzt dein Köfferchen und gehst in irgendeine Konstanzer Pension. Oder zu einer Freundin. Ich warte solange hier.«
Liane stand auf. »Glaub mir, das schaffe ich allein. Ich bleibe nicht hier, das verspreche ich dir.«
»Gut.« Er stand auf und nahm sie in den Arm.
»Biagiotti«, flüsterte er ihr ins Ohr.
»Was?«
»Dein Parfüm!«
»Stimmt …«
Sie lösten sich voneinander, sahen sich an und küssten sich lang und leidenschaftlich mitten auf ihrem Balkon. Mitten auf ihrem Balkon,
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