Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone
Riesenpizza.«
Mattis Bauch-Ich: »Und was ist übermorgen?«
Mattis Kopf-Ich: »Schließ die Augen und stell dir einen schlanken Matti vor. Wenn du bis übermorgen durchhältst, ist der Anfang gemacht. Dein Durchbruch steht bevor. Du wirst gewinnen.«
Eine solche positive Zielvorstellung durchflutet Bauch-Ichs wie eine Droge und soll im Idealfall jeden Zweifel plattmachen. Psychologen nennen die gehirnwäschen-ähnliche Technik »Visualisieren«.
Dahinter verbirgt sich Folgendes: Wir denken uns einen Zustand aus, den wir erreichen wollen, und schmücken den Gedanken aus – wie bei einer wuchernden Telefonkritzelei. Wir lassen ihn vor unserem geistigen Auge lebendig werden und so lange herumtanzen, bis wir fest dran glauben, dass da nicht nur ein Gedanke ist. Dann haben wir den heilsbringenden Zustand erreicht, der in der Motivationslehre die »Motivation aus sich selbst heraus« genannt wird. Sie gilt als einzig wahre Motivation – alles andere ist nur wie Lernen für die Schule, frei nach dem Motto: »Wenn der Lehrer nicht guckt, muss ich auch nichts tun.« Das heißt: Wenn der Lehrer häufig guckt, schaffe ich die Versetzung – wenn nicht, ist es um mich geschehen.
Die Eigen-Motivation ist es, die uns dazu bringt, beim Duell zwischen Kopf und Bauch, zwischen Verstand und Gefühl, den Kopf zu stärken. Und zwar – ganz tricky – mit dem Gefühl, dem flinken Gegner des Verstandes. Warum das wichtig ist? Weil Gefühle schneller und stärker sind als vernünftige Gedanken.
Zum Beispiel: Taucht eine Leckerei auf der Bildfläche auf, kommt es zum Blitz-Duell zwischen Kopf und Bauch. Während der Verstand noch kluge Konter entwickelt (»Der ganze Süßkram ist gar nicht gut!«), hat sich das unterbewusste Bauchgefühl längst durchgesetzt: »Ich will das haben, denn es macht mich glücklich.«
Dieses verhängnisvolle Gedankenspiel dauert nur Bruchteile von Sekunden. Emotionen melden sich eine halbe Sekunde schneller als Informationen, die der Verstand von sich gibt. Die niederen Instinkte bestimmen, was wir tun. Ohne Nachhilfe unterliegt das Kopf-Ich dem Bauch-Ich, denn das Bauch-Ich hockt im festeren Fundament: Emotionen sind tief verwurzelt im sogenannten limbischen System, unserer Steuerungszentrale, die das Wichtigste zum Überleben sichert, indem es immer wieder daran erinnert, dass die Grundbedürfnisse nicht vernachlässigt werden – also Trinken, Essen, Schlafen, Fortpflanzen und Genießen. Wir müssen nichts tun, um diese Dinge zu begehren. Der Körper meldet sich von ganz allein, wenn es hieran etwas mangelt.
Nun wandert alles, was von außen an Sinneseindrücken an uns herangetragen wird, erst einmal ins limbische System, wo der »Grundbedürfnisse-Check« stattfindet: »Kann ich mit dem, was ich geboten bekomme,
eins meiner Begehren befriedigen?« – Die Eindrücke sind also bereits mit Gefühlen vermischt, wenn sie ins Großhirn gelangen, also dorthin, wo die reflektierenden Gedanken herumschwirren. Wir sehen nicht nur ein Auto, eine Torte, einen potenziellen Sexualpartner – wir empfinden immer schon »scharf«, »appetitlich«, »geil«. Oder eben auch »langweilig«, »giftig«, »unbefriedigend«.
Hinzu kommt, dass diejenigen Hirngebiete, die für unsere wichtigsten körperlichen Funktionen zuständig sind, nach einem recht übersichtlichen Prinzip arbeiten: Es geht immer nur um Lustgewinn und Schmerzvermeidung. Unser Hirn will hin zum Spaß und weg vom Weh. Dabei wird arbeitsteilig vorgegangen: Die für den Verstand zuständigen Hirnareale machen die Pläne, für deren Umsetzung sorgen die Gefühle – oder auch nicht.
Nehmen wir einen typischen Fall: Der Bauch meldet Hunger. Daraufhin erklärt der Kopf, dass jetzt mal »Durchhalten« angesagt ist. Das akzeptiert der Bauch vielleicht eine Weile, funkt dann aber erneut, dass da was knurrt. Wenn der Kopf jetzt nicht nachgibt, heult der Bauch auf, sieht eine Hungersnot nahen und verlangt sofort Geleitschutz in Form von Essbarem. Er erinnert an all das Leid und die Entbehrungen, die gemeinhin mit Hungern verbunden sind, liefert eine kurze Kostprobe der Schmachtschmerzen und rechtfertigt damit die Wucht seines Auftritts. Jetzt müssen die Sinnesorgane nur etwas schnell Verschlingbares in Reichweite melden, und der Kopf hat verloren. Es wird wieder gegessen.
Früher war das anders. In der Steinzeit konnte der Bauch zwar auch schon kräftig brüllen, musste sich aber mit dem Kopf nicht auseinandersetzen, denn
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