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Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone

Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone

Titel: Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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bis er am nächsten Tag seinen Teller mit Erbsensuppe solo am Küchentisch vorfand, während Sabine den ihren vor dem Garderobenspiegel auf dem Bügelbrett einzunehmen gedachte.
    Sie hockte sich auf einen Schemel und sah sich selbst beim Löffeln zu. Kommunikativ war das nicht gerade. Nach drei Tagen zermürbender Trennung von Tisch und Brett brüllte Andreas ein zorniges »Der Spiegel oder ich!« in den Flur. Am vierten Tag nahm er seinen Beck-&-Stecker-Power-Akkubohrer, den Sabine ihm zu Weihnachten geschenkt hatte, und schraubte das goldgerahmte Ding kurzerhand ab. Darauf packte Sabine ihre Koffer und zog zu ihrer Mutter Helga, die einen verspiegelten Schlafzimmerschrank besitzt.
    Natürlich bekam ich dafür mein Fett weg: »Wie konntest du nur einen solchen Müll erzählen?«, grollte Andreas. »Frauen glauben alles. Schließlich machen sie ja auch jede Diät mit, die sie in den Klatschblättern finden können.« Mein Versuch, seinen Vorwurf zu entkräften, fand Andreas nicht so richtig überzeugend: Wie, so fragte ich ihn, hätte ich wissen sollen, dass sich tatsächlich jemand – und dann noch aus dem Freundeskreis – zum Essen vor den Spiegel setzt?

     
    Wer Andreas kennt, der weiß, dass er ein harmoniebedürftiger Softie ist, der bei jedem Streit grundsätzlich einknickt. Also stand er, wie zu erwarten, an Tag fünf mit einem Strauß roter Rosen plus 150-Euro-Einkaufsgutschein vor Schwiegermutter Helgas Reihenhaus. Weil, so sein Kalkül, Frauen nun mal gerne shoppen, sollte Sabine den Gutschein auf den Kopf hauen. Gut kalkuliert, Andreas! Es wurde sich allgemein versöhnt und der Spiegel war vergessen, bis – unverhofft kommt oft – die nächste polierte Oberfläche den Haussegen erneut in Schieflage brachte.
    Dieses Exemplar der Gattung »Spieglein, Spieglein an der Wand« baumelte in der Damenumkleidekabine des »Tara«-Trendshops und reflektierte neonröhrenummantelt Sabines Rundumsicht beim Anprobieren kristallklar bis ins Detail: Jedes noch so kleine Röllchen, Fältchen, Dellchen wurde wie unter einem Vergrößerungsglas gescannt, die etwas größeren… – Schwamm drüber, der Gentleman schweigt. Andreas, ahnungslos, schleppte derweil munter die anzuprobierenden Klamotten hin und her. Selbstverständlich waren die Größen »M«, »L« und »XL« dabei tabu …
    Obwohl er ein kleines Vermögen gekostet hat,
bereut Sabine keine Sekunde den kauf des neunen
›i Mirror‹ mit seiner adaptiven Beauty-Engine.
    … als plötzlich ein ohrenbetäubendes Scheppern aus der Kabine drang. Aus Angst um seine Liebste riss er den Vorhang auf – und dann Sabine in seine rettenden Arme, die halb im kleinen, geradezu winzigen Schwarzen steckengeblieben war wie ein Korken im Flaschenhals.
    Andreas erspähte nichts als Beine, einen Playboy-Tanga-Slip und oben ein Büschel Haare. Der Rest von Sabine ruderte und prustete irgendwo in der Stoffpelle.
    Den Spiegel samt Trennwand zur Nachbarkabine hatte seine Holde in einem Anfall von Wut über die Dellchen, Fältchen und Röllchen sowie einer Prise Klaustrophobie umgehauen, direkt auf die Dame, die nebenan gerade einen Hauch von Negligé probierte und darin nun hysterisch kreischend durch den Laden wehte.
    Nach diesem Erlebnis war beiden klar: »Spiegel sind Mist!« – Und Zeiten, in denen ein ehemals immer passendes »L« das neue »S« ist, ebenfalls. Klar, dass diese Erkenntnis im Zusammenspiel mit dem vorherigen Schock sofortige Wiederbelebungsmaßnahmen in einem der benachbarten Coffee-Shops erforderlich machte.
     
    Und warum auch nicht? Schließlich ist erwiesen, dass Kaffee beim Abnehmen helfen kann: Immer, wenn der Hunger kommt, einfach einen kleinen braunen zuckerfreien Freund trinken. Dann hat der Magen wieder was zu tun. Allerdings sollte man unter vier Bechern der Größe XXL bleiben, da sonst nervöse Zuckungen und unkontrollierte Hektik nicht ausgeschlossen werden können. Ansonsten ist Kaffee aber empfehlenswert, weil er den Appetit auf Süßkram mit jedem Schluck ein wenig mehr verschwinden lässt. Theoretisch.
    Also nichts wie rein ins Ladenlokal, das wie alle seinesgleichen in warmen Brauntönen, gemütlichen Sesseln und Caféhaus-Flair die Passanten anlockt?
     
    Vorsicht! Die Schwelle dieser Shops ist – im Gegensatz zur klassischen Konditorei – leicht überschritten. Man will ja nur einen Kaffee trinken und keine Tortenschlacht veranstalten. Doch, hoppla, zum Kaffee gibt’s auch hier Kuchen, Brötchen & Co. – all die üblichen verdächtigen

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