Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
Franny-Phantasien war er mit Lola zusammen gewesen, mit der er sich sporadisch und immer nur heimlich traf, vier Jahre lang. Doch Hicks hatte nie das Gefühl gehabt, dieser Göttin das bieten zu können, was sie verdiente, und sie auch nie gebeten, ihren Trottel von Ehemann zu verlassen. Und dann, puff, aus und vorbei – für Lola, aber nicht für ihn.
Und diesem verdammten Luke Delaney stand Lola ins Gesicht geschrieben. Das sah Hicks genau.
Hicks kann sich ja gern einen Trip in seine Erinnerungen gönnen, aber dabei begleite ich ihn nicht. Ich will noch mal zu dem zurück, was der Detective für eine so eindeutige Tatsache hält: dass Luke mich immer noch liebt. Das ist natürlich schmeichelhaft für mein Ego, aber da wird mir die Geschichte doch zu sehr umgeschrieben. Luke und ich haben keine langfristigen Pläne gemacht, was vor allem an mir lag. Mir gefiel an unserer Beziehung ja gerade die träumerische Patina. Aber er hat mich nie gebeten, mein Leben neu zu ordnen. Luke hat mit
mir
gespielt, nicht umgekehrt. Das ist meine Version der Geschichte, und dabei bleibe ich, denn ich glaube, dass ich heute noch leben würde, wenn ich den flamingorosa Drink von Luke nicht angenommen hätte, wenn wir nicht miteinander getanzt hätten, wenn wir nach Buffalo gefahren wären, statt eine Auszeit im Paradies zu nehmen.
»Wer von Ihnen beiden hat denn Schluss gemacht?«
Lukes Räuspern klingt wie ein Mittelding aus Seufzer undStöhnen. »Die Beziehung war am Ende. Wir hatten beide genug von den Lügen und Enttäuschungen, dem Frust und den Ausreden, von dem ganzen Drama. Es war einfach vorbei.«
Nein, für Sie nicht,
denkt Hicks.
Molly Marx nagt an Ihrem Herzen wie eine Termite an einem Baumstamm.
»Und seitdem?«
»Detective, ich bin ständig auf der Flucht vor meiner Trauer. Jedes Mal, wenn das Telefon klingelt, denke ich, das ist bestimmt Molly mit einer brillanten Idee für eins unserer Shootings. Ich versuche mir vorzumachen, dass sie nur vorübergehend aus meinem Leben verschwunden ist.«
Und das funktioniert?,
wundert sich Hicks, der sich in das Ledersofa zurücklehnt und das Zimmer betrachtet, das behaglich sein könnte, wenn es sauber wäre.
»Ich glaube einfach nicht, dass sie gestorben ist«, fährt Luke fort. »Manchmal gehe ich in den Central Park, setze mich irgendwohin, und dann könnte ich schwören, dass sie da ist.«
Bin ich. Sehr oft. Ich sehe ihn dort sitzen, warten und sich mit Gefühlen aufreiben, die so nutzlos sind wie abgelaufene Kreditkarten.
»Ich denke immer, gleich fährt sie mit dem Fahrrad vorbei … und dass alles andere nur ein absurdes Missverständnis ist.«
Das nimmt Hicks ihm sogar ab, denn genauso war es für ihn, bis der große Lola-Knall endgültig zu einem fernen Echo verklungen war. Eines Tages bemerkte Hicks plötzlich, dass es nicht mehr Lola war, der sein erster Gedanke am Morgen und sein letzter Gedanke am Abend galt. Doch es hat ewig gedauert. Erst jetzt, in diesem Jahr, war er so weit.
Hicks konzentriert sich wieder auf seine Aufgabe. »Wann hat Dr. Marx das mit Ihnen beiden herausgefunden?«
»Barry Marx? Er wusste es nicht.«
Scheiße. Wusste er es?
Luke spürt die Übelkeit aufsteigen, die ihn in den letzten drei Wochen abgehalten hat, sich von seinem guten und auch dem weniger guten Wodka einzuschenken oder die Eiscreme anzubrechen.
»Wissen Sie das genau?«, fragt Hicks.
»Nein«, gibt Luke zu.
Das ist nur ein übler Trick. Aber vielleicht auch nicht. Könnte Barry es herausgefunden haben? Dann –
»Wie ist sie also gestorben, Delaney?« Hicks’ Gesicht kommt ihm so nahe, dass ich mich frage, ob Luke sich abwenden wird. Er tut es nicht.
Hicks hat sein schwarzes Notizbuch und seinen Stift hervorgezogen. Ich finde schrecklich, dass der Detective, der meinen Fall untersucht, hier der großen Leidenschaft meines Lebens gegenübersitzt und nur skeptische, kritische Dinge über Luke notiert.
»Darüber denke ich Tag und Nacht nach, Detective.«
31
Eine zweite Meinung
»Ich hätte sie zu gern gekannt«, flüsterte Brie, als wir ehrfurchtsvoll wie alle anderen Besucher in dem granatroten Ausstellungsraum standen.
Brie und ich waren im Metropolitan Museum und bestaunten die neueste Beute des Kurators. Dort hing sie. ›Madame X‹.
»Was ihr wohl durch den Kopf geht?«, fragte Brie.
»Mein Busen ist schöner als deiner?« Die perlweiße Haut der Frau leuchtete geradezu im Kontrast zu ihrem schwarzen Kleid, das in jedem Jahrhundert auf jedem Laufsteg
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