Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
Superfeigling war und nicht mal eine Mausefalle leeren könnte, bekam ein Kind. Ein Teil von mir schien unter der Zimmerdecke zu schweben und zu beobachten, wie ich stöhnte und ächzte, grauenerregend, aber kraftvoll. Ich war wie eine Stange Dynamit, die jeden Moment zu explodieren drohte.
Als die Wehen bereits alle fünf Minuten kamen, sagte ich zu Brie: »Du musst nicht bleiben.«
»Ich lasse dich nicht allein«, erwiderte sie und wischte mir mit einem kühlen, trockenen Tuch den Schweiß von der Stirn.
Eine Rückenmarksnarkose war jetzt fällig. »Es kann ziemlich blutig werden.«
»Damit komme ich schon klar.«
»Irgendwas von Barry?«
»Ich habe nicht noch mal versucht, ihn anzurufen«, sagte Brie, und ich werde nie erfahren, ob das wirklich stimmte. »Was ist denn zwischen euch beiden vorgefallen?«
Ich verscheuchte den Gedanken an ihn. »Nichts Wichtiges«, erwiderte ich, und das war tatsächlich die Wahrheit, denn plötzlich hatte ich das Gefühl, meine Gebärmutter würde sich gleich aus mir herausstülpen, gefolgt von einem Elefantenkalb, das sich an meiner Brust nähren wollte.
»Okay, los geht’s«, sagte die Hebamme euphorisch fröhlich. Ich hätte ihr am liebsten eine heruntergehauen. Und da tauchte auch Dr. Kim lächelnd aus den Nebeln auf. Sie ist die einzige Frau, die ich kenne, die auch in aquariumgrünen Schlabberhosen und Crocs gut aussah.
»Sind Sie bereit, ein Baby zu bekommen, Molly?«, fragte sie.
»Zum Teufel, nein«, schrie ich.
»Das sehe ich aber anders«, erwiderte sie. »Sie! Sind! Bereit! Wenn ich sage ›pressen‹, dann pressen Sie.«
Was meinte sie damit: »pressen«? Die Wirkung des Medikamentencocktails hatte eingesetzt, und ich hätte es auch nicht mehr gespürt, wenn mir ein Apartmentblock auf den Kopf gefallen wäre.
»Okay, jetzt pressen«, befahl sie.
»Wir müssen pressen«, sagte Brie für den Fall, dass ich es nicht mitbekommen hatte. Brie war aufgestanden und trug jetzt einen Kittel über ihren Sportsachen. Das, was ich von ihrem Gesicht hinter der Krankenhausmaske noch erkennen konnte, war totenbleich. Ich hörte einen Chor von Frauen, die immer wieder riefen »pressen«, »gutes Mädchen« und »großartig« und schließlich »gleich kommt’s – gleich kommt’s – gleich kommt’s«. Waren wir hier etwa bei einem Gruppenorgasmus?
Ich spürte etwas aus mir herausgleiten, und ein Jubel brach los, als hätten die New York Giants die New England Patriots beim Superbowl vernichtend geschlagen. In mir stieg eine übersprudelnde Freude auf.
Ich hatte ein
Baby
geboren. Ich, ich, ich. Ich konnte Atome spalten, mit Bären boxen, nach Hawaii schwimmen.
Ich schloss die Augen und betete zu Gott. Lass dieses Kind gesund sein. Lass es alle Körperteile am richtigen Platz haben. Lass es klug und stark und gut werden. Und lass es nicht Barrys Nase haben. Mir kam es vor, als hätte ich minutenlang die Luft angehalten.
Als ich die Augen wieder öffnete, lag mein kleiner Sohn frisch gesäubert auf meiner Brust. William Alexander schrie. Er hatte das allerschönste verzerrte Gesicht, das ich je gesehen hatte, kaum größer als eine Grapefruit, und ein paar vereinzelte Härchen klebten an seinem Kopf. »Jetzt sind wir ein Team, Kleiner«, flüsterte ich in sein winziges Ohr. »Ich bin deine Mommy und ich liebe dich. Und ich werde dich immer, immer, immer lieben und beschützen.«
Dann sah ich mir mein Kind an. Es hatte runzlige rosa Haut, zehn Finger, zehn Zehen und … keinen Penis. Mein erster Gedanke war, das Baby müsse eine Missbildung haben. Erst einen Augenblick später begriff ich, dass ich, Molly Divine Marx, ein Mädchen zur Welt gebracht hatte. Eine sehr kleine Ausgabe meiner selbst.
»Sie ist unglaublich schön, Molly.« Weinend sah Brie mich an. »Sie ist eine von uns. Ich liebe euch beide.«
Ich war die Mutter einer Tochter. Einer Tochter! Hoffentlich würde sie mich nur halb so sehr lieben, wie ich meine eigene Mutter liebte. Mein zweiter Gedanke war, dass Barry enttäuscht sein würde, und mein dritter: dass das völlig egal war.
Schon bald wurde das Baby weggetragen, Brie ging nach Hause, um sich für die Arbeit umzuziehen, und ich wurde in ein Zimmer geschoben, das ich mit einer dicken lauten Frau teilen musste, die umgeben war von ihrer dicken lauten Familie und die Klimaanlage so hoch eingestellt hatte, dass ich meinte, in einem Kühlhaus gelandet zu sein. Nach inständigen Bitten brachte mir eine Krankenschwester schließlich eine
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