Ich muss dir etwas sagen
ziemlich
ungeschickt: „Das [der kritikwürdige Gegenstand] ärgert mich maßlos. Es ist derart grauenhaft, daß ich mich frage, ob wir überhaupt noch eine gemeinsame Zukunft haben.” Aber wenn
man die gemeinsame Zukunft in Frage stellt, kann der andere eigentlich nur erwidern: „Wenn wir keine Zukunft haben,
weshalb sollte ich mich dann ändern?”
Wenn Sie also Kritik üben, ist es ratsam, zunächst
ausdrücklich zu erwähnen, daß dies nur in der Überzeugung geschieht, der andere könne sich ändern. Dann sollten Sie
deutlich hervorheben, welchen Nutzen er davon hätte, und
anschließend, daß Sie und er eine gemeinsame Zukunft haben.
Zurück zu Linda und Robert. Um den Rahmen abzustecken,
hätte Robert sagen können: „Ich habe dich um dieses Gespräch gebeten, weil ich dich um einen Gefallen bitten möchte. Es wäre
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schön, wenn du dir meine Kritik anhören würdest. Du bist
grundsätzlich in Ordnung, wie du bist. Ich rede lediglich davon, daß du dein Verhalten meiner Meinung nach ein wenig ändern solltest. Ich würde dich nicht kritisieren, wenn ich es nicht für wichtig hielte und glaubte, du könntest dich nicht ändern. Wenn du meine Kritik für fair hältst und dein Verhalten ein bißchen änderst, dann fällt es mir wieder viel leichter, dich besuchen zu kommen und Zeit mit dir und deiner Familie zu verbringen. Wir werden ja den Rest unseres Lebens Geschwister sein, und ich denke, wir kommen uns näher, wenn du meine Kritik einfach
nur mal auf dich wirken läßt.”
So kann man eine gewisse Offenheit schaffen, die notwendig ist, um Kritik anzunehmen.
Die Wahrheit äußern
Denken Sie an Ihr Ziel: Sie möchten, daß der Betreffende sich ändert und nicht, daß er lediglich etwas ganz Bestimmtes tut.
Die erwünschte Veränderung ist also umfassender, allgemeiner.
Robert wollte, daß seine Schwester sich im Umgang weniger
„grob und ungehobelt” zeigte. Das bedeutete, daß sie sich seine Kritik zu Herzen nehmen und wieder mehr der Mensch werden
sollte, zu dem ihre Eltern sie erzogen hatten. Es gab nichts Konkretes, was Linda hätte tun können, um das zu erreichen.
Robert wünschte sich solide Zeichen für einen Wandel. Und
genau das wollen wir alle, wenn wir jemanden kritisieren. Wenn wir etwas Bestimmtes wollen, wie einen Kredit oder Hilfe bei Malerarbeiten in unserer Wohnung, müßten wir den
entsprechenden Wunsch äußern. Und das sollte betont werden: der Wunsch und die Hoffnung auf einen Wandel. Robert hätte also seiner Schwester sagen können:
„Ich möchte dich bitten, etwas zu ändern. Dabei geht nur um
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eine Seite deines Verhaltens. Ansonsten bist du, meiner
Meinung nach, vollkommen in Ordnung. Aber diese Sache
macht mir wirklich zu schaffen, und ich hoffe, du kannst dir meine Kritik anhören, denn sie ist mir wirklich wichtig. Ich bitte dich nicht, mit mir einer Meinung zu sein, aber ich würde dich gerne öfter besuchen, und ich finde die Art und Weise, wie du mit deinem Mann lebst, ziemlich unangenehm. Sag mir, wie
ich's dir erklären soll. Soll ich dir die harte Wahrheit sagen, oder soll ich sie lieber ein bißchen verpacken?”
In fast allen Fällen wollen Menschen - vor diese Wahl gestellt die schonungslose Variante hören. Aber natürlich werden Sie nicht hart. Doch Sie haben grünes Licht, und das ist wesentlich in diesem Drehbuch. So hätte Robert fortfahren können:
„Nun, aus meiner Sicht verhaltet ihr euch ziemlich grob und ungehobelt. Ich rede von den Unmengen Alkohol, den
andauernden Streitereien und der Flucherei. Dabei weiß ich, daß du eigentlich ganz anders bist. Aber so sehe ich es nun mal, und es ist mir wichtig, daß sich das ändert. Ich möchte dich damit nicht beleidigen. Wenn du nicht meiner Meinung bist oder nicht verstehen kannst, was ich meine, dann laß uns darüber reden.”
Sie wollen die Wahrscheinlichkeit einer Verhaltensänderung steigern und zugleich verhindern, daß Ihr Gegenüber sich
beleidigt fühlt oder anfängt, sich zu verteidigen. Es ist ja nicht so, daß Sie das Leben des anderen regieren. Ihn oder sie zu kritisieren ist vor allem deshalb so schwer für Sie, weil genau das nicht Ihre Aufgabe ist. Sogar Ehepaare, die einander
andauernd mit Kritik auf den Geist gehen, sind im Grunde der Meinung, sie sollten sich gegenseitig so akzeptieren, wie sie sind, und daß es irgendwie falsch sei, sich als Richter über den anderen aufzuschwingen.
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Hüten Sie sich vor Wut
Wenn Sie jemanden
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