Ich muss dir etwas sagen
Lust mehr auf dich”, und Gregor hätte geantwortet: „Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.” Innerhalb kürzester Zeit redeten sie über eine langweilige, scheintote Ehe und die Scheidung. Beide waren verletzt, enttäuscht und wütend - genau in dem Chaos, das Janet befürchtet hatte.
Aber es hätte auch anders laufen können.
Die richtigen Fragen stellen
Zunächst: Welche Wahrheit wollte Janet eigentlich äußern?
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Hatte sie wirklich keinerlei Interesse mehr an Sex? Sie überlegte dauernd, Gregory genau das zu sagen, aber war das auch richtig, oder befürchtete sie vielmehr, nicht mehr an Sex interessiert zu sein? Eine Tatsache ist eine Tatsache, aber man ist es sich selber und allen, die einem wichtig sind, schuldig, die eigentliche Wahrheit herauszufinden, bevor man sich äußert.
Zweitens: Was wollte Janet mit der Äußerung ihrer Wahrheit erreichen? Wir haben gesehen, was sie erreicht hat, und das war nicht der Sinn der Sache. Sie hätte sich selber einen Dienst getan, wenn sie darüber nachgedacht hätte, was sie sagen wollte
- abgesehen davon, daß Gregory es wissen sollte. Wollte sie, daß er sich mehr bemühte, sie sexuell zu erregen? Wollte sie, daß er seine sexuellen Bedürfnisse woanders befriedigt? Wollte sie, daß er sie dazu überredet, mit einem Frauenarzt zu sprechen?
Janet hatte echte Bedürfnisse, die ein wesentlicher Bestandteil ihrer Wahrheit waren. Wäre es ihr darum gegangen, sich
Gregorys Unterstützung sicher zu sein, dann hätte sie ihm nicht von ihrer schwindenden sexuellen Lust erzählt, sondern ihn gefragt, wie begehrenswert er sie finde. Das ist eine völlig andere Wahrheit.
Inwiefern war Janets Wahrheit mit Gefühlen behaftet, die
einer effektiven Äußerung im Wege standen? Angenommen, sie hätte das Bedürfnis, daß Gregory liebevoller und zärtlicher sein sollte, nicht nur im Bett, sondern insgesamt - das wäre eine alte, ihr schon längst bekannte Geschichte. Und angenommen, sie sei schon seit Jahren wütend darüber, ihn immer wieder darum
gebeten zu haben, spielerischer und wilder im Bett zu sein, ohne daß er ihr je wirklich gegeben hätte, was sie wollte. Diese Wut wäre sehr real und würde sie behindern, so daß dabei immer herauskommt: „Ich habe keine Lust auf dich, und du bist schuld daran.” Ginge sie hingegen angemessen mit dem Problem um,
käme eine ganz andere Wahrheit ans Licht, nämlich: „Ich
verspüre keine sexuelle Lust mehr, aber das hat nichts mit deinen Qualitäten als Liebhaber zu tun.”
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Die meisten emotionalen Lasten, die wir mit uns
herumschleppen, hängen letztlich mit Schuld und Reue
zusammen, und sie mutieren immer zum Hauptthema, wenn wir
keine Umsicht walten lassen, wo wir die Wahrheit äußern.
Zuletzt: Worauf hätte Janet sich konzentrieren sollen? Was war ihr wirklich wichtig? Lassen Sie uns an dieser Stelle ein wenig differenzieren. Janet wollte etwas für sich selber
erreichen, das war ihr Ziel. Aber sie befürchtete wohl am
meisten, etwas zu verlieren. Wenn es ihr Ziel gewesen wäre, daß Gregory keinerlei sexuellen Druck mehr auf sie ausübt, wäre es ihr wahrscheinlich zugleich genauso wichtig gewesen, die
Wärme, Nähe und Intimität zwischen ihnen beiden nicht zu
verlieren.
Angenommen Ihr Ziel ist, rechtzeitig am Flughafen
anzukommen. Wenn es Ihnen jedoch wichtiger ist, unterwegs
keinen Unfall zu bauen, könnten Sie an einen Punkt kommen, an dem Sie Ihr Ziel aufgeben müssen. Genauso könnte es sein, daß Janet ihr Ziel hätte aufgeben müssen, um das Wesentliche zu erhalten.
Jetzt wird verständlich, was alles auf dem Spiel stand. Es hätte sicherlich einen riesigen Unterschied gemacht, wenn Janet vier einfache Fragen beantwortet hätte, bevor sie den Mund
aufmachte. Vielleicht hätte sie sich nicht mehr als so spontan empfunden, aber sie hätte sowohl ihre Wahrheit sagen als auch ihre Beziehung retten können.
Nun sollten wir uns nun den Fragen zuwenden und sie
beantworten.
Eigene Antworten finden
1. Welche Wahrheit wollen Sie wirklich äußern?
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Der Schlüssel zur Wahrheit, die Sie in Wirklichkeit äußern wollen, ist die Frage: Was ist die ganze Wahrheit? Handelt es sich bei der Wahrheit, die ich erzählen möchte, um die ganze Wahrheit oder nur um einen Teil? Habe ich etwas ausgelassen?
Die Wahrheit hat mehrere Seiten
Die Wahrheit hat immer mehrere Seiten, ganz egal, wie sie
lautet selbst wenn sie absolut eindeutig auf der Hand zu liegen scheint. Angenommen, Ihr
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