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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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Einzelheiten.
    Bernhard Mischko begleitete die Ermittlungen der Kripo von Beginn an. Der 37-jährige Staatsanwalt hatte sich den Tatort in der Friesenstraße genau angesehen und Kroll auch persönlich bei einer der ersten Vernehmungen gegenüber gesessen. Zwei Dinge hatten ihn dabei besonders erstaunt: dass dieser Mann so unscheinbar, so harmlos wirkte, und dass er so ruhig und in ganz schlichten Sätzen diese entsetzlichen Geständnisse ablegte.
    Die Pressevertreter richteten naturgemäß auch an ihn zahlreiche Fragen, unter anderem zum Verhalten Krolls und der Glaubwürdigkeit seiner Aussagen. »Die Vernehmung Krolls ist ausgesprochen weich«, erläuterte er, »er ist voller Bereitschaft, Sachen zuzugeben, wo wir ihm buchstäblich nichts vorhalten konnten. Dabei spricht er auffallend ruhig und leise. Er tut dies nicht wie jemand, der angeben will. Ich bin sicher, dass er uns nichts sagt, was er nicht auch wirklich begangen hat. Ich habe das Gefühl, dass ihm seine Geständnisse nicht leicht fallen.«
    Am nächsten Vormittag wurde Kroll zu den bis dahin ausführlich gebeichteten Taten »nachvernommen«. Die Beamten mussten mitunter winzige und nebensächlich anmutende Details erfragen, um die Aussagen wasserdicht zu machen: »Was war denn da für ein Wetter?«, »Bist du dann nach rechts oder nach links gegangen?«, »Woher hattest du denn das Taschentuch?«, »Welche Farbe hatte der Schlüpfer des Mädchens?«, »Lagen die Steine nur so aufeinander oder waren die gemauert?«.
    Nach dem Mittagesssen sollte es weitergehen. Kroll wurde wieder aus seiner Zelle hervorgeholt, setzte sich auf seinen Holzstuhl. Doch er beantwortete keine Fragen. Er erklärte auch nicht, warum er schwieg. Kroll saß einfach nur da und starrte auf den Boden. Nach wenigen Minuten lieferte er die Erklärung für sein Verhalten, ohne etwas sagen zu müssen: Er begann bitterlich zu weinen. Und er hörte nicht mehr auf.
    Nach einer Viertelstunde brach es aus ihm heraus: »Ich war doch immer allein. Darum is’ es so gekommen.« Dann zog er sich innerlich wieder zurück und weinte. Minutenlang schluchzte er, schließlich nahm er den Gedanken wieder auf. »Wenn ich ‘ne Frau gehabt hätt«, erklärte er mit kaum vernehmbarer, tränenerstickter Stimme, »wär’s doch nich’ passiert. Ich war doch so allein.« Anschließend sahen die etwas irritierten Beamten ihn erneut nur weinen – bis es ihm doch wieder zu viel wurde: »Die haben mich doch immer nur vernatzt. Ich wollt’ se doch nur liebhaben oder poppen. Und dann haben se mich nur vernatzt. Nur vernatzt.«
    Die Ermittler benötigten mehr als eine Stunde, um Kroll zu beruhigen. Sie versuchten ihn auf andere Gedanken zu bringen und sprachen über Dinge, die ihm gefielen, die ihm etwas bedeuteten: seine Stereoanlage, die Farbfernseher oder seine Mopeds. Das half. Erst hörte er nur zu, dann beteiligte er sich an dem Gespräch – mit wachsender Begeisterung. Und wieder ließ Kroll die Kriminalisten hellhörig werden, als er ohne Vorankündigung Thomas Wippermann ins Wort fiel: »Sind ‘ne Menge gewesen. Mädchen und Frauen.« Kurze Zeit später wurde er deutlicher: »Is’ schon lange her. War’n älteres Mädchen. Hab’ se abgestochen.«
    Minuten später gestand Kroll Mord Nummer fünf, die Tötung Renate Göbels am 6. Februar 1955 in einem Wäldchen nahe der Ortschaft Walstedde – sein erster Mord. Zunächst erklärte Kroll, warum er überhaupt auf der Suche nach einem Opfer war: »Als ich bei den Bauern in Oesdorf war, hatt’ ich zwar auch ab und zu dies’ komische Gefühl, aber dort konnt’ ich dann immer an die Kühe gehen. In Bottrop ging das nich’ so gut. Und irgendwie musst’ ich doch meinen Drang loswerden.«
    Kroll hatte die meisten seiner Opfer mit einer bestimmten Griff- und Würgetechnik überwältigt. Jetzt erklärte er, wie er darauf gekommen war: »Wenn ich beim Bauern Säcke vom Boden auf den Wagen gepackt hab’, hab’ ich mit der linken Hand oben, wo der zugebunden war, gepackt und den Sack zwischen den Arm und die Hüfte genommen, zugedrückt und dann auf mein Kreuz genommen. So hab’ ich’s dann bei den Frauen auch gemacht.«
    Das 19-jährige Opfer war nicht überfallen worden, Kroll hatte versucht, sie zum Austausch von Zärtlichkeiten und mehr zu bewegen – auf seine Art. »Ich hab’ das Mädchen angequatscht«, resümierte er, »weil ich es ja poppen wollt’. Kann sein, daß ich das Fickzeichen gemacht hab’; auf jeden Fall hab’ ich aber gesagt,

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