Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)
Pärchen in seine Richtung spazieren. Er stoppte ab, machte sofort kehrt und ging schnellen Schrittes zurück. Dann bog er nach rechts ab in den Radweg. Er schnaufte durch. Das Mädchen konnte nicht ahnen, dass sie sich für Sekunden in akuter Gefahr befunden hatte und ihr Leben einer scheinbar belanglosen Entscheidung zu verdanken hatte. Wäre sie weiter geradeaus gefahren, es wäre um sie geschehen gewesen. Er war sauer. Kacke!
In den nächsten Stunden trieb er sich zunächst am Freibad herum, dann in der Nähe des Wehrs, am späten Nachmittag an der Bootsschleuse und schließlich in den Waldgebieten am Laufwasserkraftwerk. Aber er kam nicht zum Zuge. Um seinen Drang abzuschwächen, hockte er sich in ein Gebüsch in Ufernähe und beobachtete dort spielende Mädchen. Er onanierte und phantasierte, wie es wohl wäre, wenn er sich eines der Kinder bemächtigen könnte.
Am späten Abend marschierte er über eine Holzbrücke zum anderen Ufer. Dort lief er eine Rampe herunter, die in die Straße »Hardenbergufer« mündete. Er bog nach links ab und sah in einiger Entfernung am rechten Straßenrand ein auffälliges Schild. Er konnte noch nicht erkennen, was darauf geschrieben stand, aber er vermutete dort ein Lokal oder einen Kiosk. Genau danach hatte er gesucht. Er war durstig.
»Lebensmittel Höller«. Er stieß die Tür zum Laden auf. An der Kasse bezahlten gerade zwei Mädchen ihr Eis. Das Paar, das er draußen hatte stehen sehen, hielt er für ihre Eltern. Er nahm sich eine Flasche Mineralwasser aus dem Regal und ging zur Kasse. Das Alter der Kassiererin schätzte er auf 35 bis 40. Hannelore Golz gefiel ihm. So eine hätt‘ ich auch gern mal.
Als er an der Kasse stand, wurde eine zweite Tür geöffnet, die, so vermutete er, in den Hausflur führte. Eine grauhaarige Frau kam hinzu. Martha Höller war auf der Toilette gewesen. Es war jetzt kurz vor 19 Uhr.
»Hanni, wann musst du denn los?«
»In einer halben Stunde.«
»Soll ich dich fahren?«
Hannelore Golz lächelte. »Ach lass mal, ich nehme den Bus.«
»Wann bist du denn wieder zurück?«
»So zwischen halb elf und elf bestimmt, wir machen heute nicht so lange. Ursel bekommt morgen früh Besuch.«
Er konnte nicht wissen, dass Hannelore Golz von einer Freundin zum Kartenspielen eingeladen worden war. Das interessierte ihn auch gar nicht. Aber er schlussfolgerte zutreffend, dass die Frau, die ihm so gut gefiel, sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort aufhalten würde. Ohne Begleitung. Er brauchte sie nur noch an der Bushaltestelle abzupassen.
Es war etwas später geworden als erwartet. Hannelore Golz hatte sich mit ihrer Freundin regelrecht verquatscht. Der Bus hielt mit zweiminütiger Verspätung um 1.02 Uhr an der Haltestelle »Ruhrtalbrücke«. Bis nach Hause waren es von dort nur noch etwa 300 Meter. Sie ging am Ufer des Sees entlang, vom Gelände des Segelclubs schallte laute Musik herüber. Die Straßenbeleuchtung erhellte den asphaltierten Weg kaum. Obwohl ringsum niemand zu sehen war und es auch sonst keinen konkreten Anlass gab, ging sie schneller als sonst, schaute sich immer wieder mal um. In ihrer Handtasche hatte sie eine Gaspistole. Für alle Fälle.
Erleichtert erreichte sie das Haus Nummer 158. Sie schloss die Haustür auf. Es war dunkel und still. »Martha?« Keine Antwort. Hannelore Golz machte Licht. Sie vermutete, dass Martha Höller bereits schlief. Aber irgendwie kam ihr die Sache komisch vor. Martha hätte ihr bestimmt gesagt, wenn sie noch weggewollt hätte. Um sicherzustellen, dass alles seine Ordnung hatte, ging sie ins Schlafzimmer. Aber das Bett war leer und unbenutzt. Dann schaute sie aus dem Fenster. Auf dem Heimweg hatte sie nicht auf den blauen VW 1200 geachtet. Irritiert stellte sie fest, dass der Wagen vor der Garage stand. Das war sehr ungewöhnlich: Martha war nicht zu Hause, aber ihr Auto stand vor der Tür. Hannelore Golz suchte das gesamte Haus ab. Ohne Ergebnis. Dann nahm sie eine Taschenlampe und ging hinaus. Sie leuchtete den Uferbereich aus, umrundete das Haus. Aber sie fand nichts. Sie machte sich jetzt ernsthafte Sorgen, zumal Martha ihr keine Nachricht hinterlassen hatte. Hannelore Golz rief alle Verwandten und Freunde an, bei denen sie Martha vermutete. Doch niemand wusste etwas. Dann legte sie sich schlafen.
Vier Stunden später war sie wieder auf den Beinen. Sie wollte sich bei Tageslicht nochmals in der näheren Umgebung des Hauses umsehen. Denn Martha war immer noch nicht nach Hause
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