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Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Titel: Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Rautenberg
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genau dir.
    Konrad bemerkte, dass ich anfing, an meiner Lippe zu knabbern– ein untrügliches Zeichen, dass ich mir gerade was verkniff.
    » Hat es mit dem Besuch bei meinen Eltern zu tun?«
    Treffer, versenkt. Hatte Konrad ohne mein Wissen einen Kurs bei einem Gedankenleser gemacht? Normalerweise läuft bei uns nichts mit Subtilität, nichts mit » Ich find Badputzen ja total doof«, und Konrad rennt zum Feudel. Nee, in unserer Beziehung, da muss man klare Worte finden. Da wird nichts zwischen den Zeilen gelesen, da wird mit dicken Büchern auf den Tisch gehauen, damit Konrad mal hinhört. Und jetzt? Jetzt macht er hier einen auf Sozialpädagoge. Es ist doch einfach nicht zu fassen!
    » Ach, ich weiß, was es ist.« Konrad lehnte sich nach vorne, stützte die Arme auf die Knie und seufzte. » Die Sache mit dem Rauchen. Dich stört, dass ich das meiner Mutter nicht sagen will.«
    » Nein, das stört mich gar nicht!«
    Konrad lächelte. » Siehst du, und genau, weil ich dich kenne, weiß ich, dass genau das dein Problem ist.«
    Was? Was sollte den jetzt die miese Tour?
    » Juli, du sagst immer genau das Gegenteil von dem, was du wirklich denkst.«
    Na ja, das stimmte SO auch wieder nicht. » Nicht immer!«, stellte ich fürs Protokoll fest.
    » Vielleicht nicht immer«, fuhr Konrad therapeutisch geschult fort, » aber immer dann, wenn es darauf ankommt. Ich werde meiner Mutter reinen Wein einschenken.«
    Nein! Nur das nicht! Bloß das nicht! Das wäre ja NOCH schlimmer!
    Ich musste mir etwas anderes einfallen lassen, irgendetwas, das ich ihm auftischen konnte und das er mir ohne Zweifel abnahm.
    Zugegeben: Ablenkungstaktiken sind nicht mein Ding.
    » Ich…«
    …hatte keine Ahnung, wie ich mich rausreden sollte.
    » Ich…«
    …wollte es ihm auch eigentlich gar nicht sagen.
    » Ich…«
    Nach dem dritten Satzanfang wurde es selbst mir zu blöd, und ich beschloss, den ersten Gedanken in meinem verworrenen Hirn zu grapschen, der mir über den Weg lief.
    Ich sah Konrad an. Konrad, meinen verständnisvollen, unordentlichen, gelassenen, lustigen Konrad. Der vor mir stand und den Kopf schief legte und den Hundeblick aufsetzte und bestimmt gleich anfing zu hecheln oder zu fiepsen oder mit dem Schwanz zu wedeln.
    » Ich liebe dich.«
    Das. Hab. Ich. Nicht. Gesagt.
    Konrad umarmte mich. Also hatte ich es doch gesagt.
    Für einen kurzen Moment blieb mir die Luft weg, einerseits weil ich von meinem spontanen Gefühlsausbruch mittelschwer geschockt war, andererseits weil Konrad mich sehr feste drückte. Sehr, sehr feste. Beunruhigend feste. Nach ein paar Sekunden fuhr mir die Sorge in die Glieder, dass Konrad mich umbringen wollte. Vielleicht hatte er ja schon längst mit seiner Mutter gesprochen? Niederer Handlanger!
    » Okay«, japste ich, » du kannst wieder loslassen.«
    Konrad tat wie geheißen und ließ von mir ab. Ich sog leicht panisch Luft in die Lungen.
    » Juli!«, jauchzte Konrad. » Und ich dachte schon, du sagst es nie!«
    Ja. Komisch. Dachte ich auch.

Auf dich hab ich gewartet
    Samstag, 11 . Juni, um 17 : 52 Uhr
    Nachdem ich den ersten Schock überwunden habe, stelle ich fest, dass die Harakiri-Taktik ganz genau nach meinem Geschmack ist. Pflaster muss ich schnell abreißen. Je länger ich darüber nachdenke, auf welche Art, in welchem Tempo, mit welcher Konsequenz ich irgendetwas tue, desto schlimmer wird’s. Ich und meine Gedanken, wir sind nicht wie Yin und Yang, nicht wie A- und B-Hörnchen, nicht wie Karies und Baktus, nicht wie Jim und Knopf. Wir sind wie Plus und Minus. Wir stoßen uns ab. Ich glaube, ich kann so weit gehen und sagen, meine Gedanken und ich sind wie Dieter Bohlen und Thomas Anders. Wir hatten mal eine steile Karriere, waren ein gutes Team, wenn nicht sogar DAS Team, wurden gefeiert, geliebt und beneidet, sonnten uns im Glanze unseres Erfolgs, doch dann zerbrach die Gemeinschaft, und die beiden langjährigen Gefährten schlagen sich seitdem alleine durch.
    Meine Gedanken sind wie Dieter Bohlen. Auf so was Beknacktes muss man erst mal kommen.
    Jedenfalls: Denken hilft. Eigentlich. Mir aber nicht. Ich bin die Königin des Kaputtdenkens. Ich habe so lange und so verkrampft darüber nachgedacht, wie ich Konrad meine Liebe gestehe, dass mir am Ende gar nichts mehr einfiel. Ich habe so gründlich und so verzweifelt überlegt, was ich an Konrad liebe, dass nichts mehr übrig blieb als ein Sack schwerer Vorwürfe und die Frage, warum ich überhaupt mit ihm zusammen bin. Der Super- GAU ,

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