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Ich, Nojoud, zehn Jahre, geschieden

Titel: Ich, Nojoud, zehn Jahre, geschieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nojoud Ali , mit Delphine Minoui
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anzurufen. Außerdem war ich zu stolz, mir mein Scheitern einzugestehen. Das erste Mal, als ich euch angerufen habe, wollte ich euch nur glauben machen, dass alles in Ordnung ist. Beim zweiten Mal, zwei Jahre später, habe ich mir wirklich Sorgen gemacht.«
    Er senkt den Kopf, atmet tief durch und stößt einen Seufzer aus.
    »Doch kaum hatte ich aufgelegt, da musste ich immer an die Tränen von
Omma
denken. Ich konnte nachts nicht mehr schlafen. Also habe ich mein Geld gezählt. Es war gerade so viel, um die Rückkehr nach Sanaa zu bezahlen. So habe ich mich letzte Woche von meinem Boss verabschiedet. Ich war entschlossen: Die Zeit war gekommen, nach Hause zurückzukehren.«
    »Und was willst du jetzt machen?«, fragt ihn Mohammad.
    »Nun, ich mache es wie alle anderen, ich verkaufe
kath
auf der Straße«, antwortet er mutlos. Wie er sich verändert hat! Fares, der so ehrgeizig war, ist nun bereit, sich bei den Verlierern einzureihen. Ich sehe ihn immer noch vor mir, wie er meinem Vater die Stirn geboten hat, ein Bild, das ich mir unauslöschlich eingeprägt habe. Ich erinnere mich auch an all den Unsinn, den er angestellt, über den sich
Aba
aufgeregt hat, der mich aber zum Lachen brachte. Wenn wir zusammen in der »Bizzeria« waren, hat er immer Papierflugzeuge aus den Servietten gefaltet und sie zu den Nachbartischen segeln lassen. Der Gedanke an ihn hat mir im April die Kraft gegeben, mich an das Gericht zu wenden. Dass er weggelaufen ist, hat mir den Mut gegeben, es ebenso zu versuchen. Ich glaube, in seiner Schuld zu stehen.
    Fares besiegt, nein, das kann nicht sein. Dass er aufgibt, das hätte ich mir nie vorstellen können. Niemals. Ich fühle mich ganz elend. Eines Tages muss ich eine Möglichkeit finden, ihm zu helfen. Ich weiß zwar nicht, wie, aber irgendeine Lösung finde ich schon.

[home]
11. Wenn ich erst einmal Anwältin bin …
    16. September 2008
    E s ist windig geworden in Sanaa. Es ist der Wind des Spätsommers, der Vorbote kühler Abende und der ersten Regentropfen. Meine Geschwister können dann wieder mit den anderen Kindern des Viertels in den Pfützen spielen. Bald werden die Bäume gelbe Blätter haben, und die fliegenden Händler an den Straßenecken werden Umhänge verkaufen.
    Für mich bedeutet dieser Wind, dass ich wieder in die Schule gehen darf, worauf ich mich so lange gefreut habe. Vor Aufregung konnte ich kaum schlafen. Vor dem Einschlafen habe ich sorgfältig die neuen Schulhefte in meinem neuen Ranzen aus braunem Segeltuch verstaut. Auf einem Blatt Papier habe ich geübt, meinen Namen zu schreiben. Und den von Malak. Ich musste immerzu an meine frühere Klassenkameradin denken. Leider werde ich sie nicht treffen, da ich nun in eine neue Schule gehe.
    Im Traum habe ich weiße Hefte gesehen, Buntstifte und viele Mädchen in meinem Alter. Seit einigen Wochen habe ich endlich keine Alpträume mehr. Ich wache nicht mehr schweißgebadet, mit feuchten Augen und mit diesem klebrigen Gefühl im Mund auf, ich denke nicht mehr an die zuschlagende Tür und die umgeworfene Öllampe. Stattdessen träume ich von der Schule. Es ist wie ein inniger Wunsch, den man laut äußert, damit er wahr wird.
    Als ich an diesem Morgen die Augen geöffnet habe, hatte ich Herzklopfen. Ich bin leise aufgestanden, um mir die Zähne zu putzen und mich zu kämmen. In dem kleinen Zimmerchen lagen die Frauen der Familie noch alle schlafend auf dem Boden. Im Zimmer nebenan, wo die Männer schliefen, konnte man die Fliegen summen hören. Bevor ich meine neue Schuluniform anzog – ein grünes Kleid und ein weißes Kopftuch –, habe ich mir lange kaltes Wasser über das Gesicht laufen lassen.
    »Haïfa, wach auf, wir kommen zu spät!«
    Meiner kleinen Schwester fällt es nicht leicht, aufzuwachen. Ihre Haare sind zerzaust, ihr Gesicht ist vom Kissen ganz verdrückt. Ich stürze schon zur Tür, um Ausschau nach dem Taxi zu halten, während
Omma
ihr noch beim Anziehen und mit den Schuhen hilft. Haïfa kann ihr Kopftuch nicht finden. Macht nichts, dann nimmt sie eben ein anderes. Das ist zwar etwas schmutzig, aber es ist ja nur für heute. Unser Chauffeur ist schon da. Er kommt von einer internationalen Hilfsorganisation, die unser Schulgeld und die Transportkosten übernimmt.
    »Seid ihr fertig?«
    »Ja.«
    »Na, dann mal los!«
    Mein Herz schlägt noch schneller. Stolz setze ich meinen Ranzen auf. Bevor wir in den Wagen klettern, umarmen wir
Omma
. Die kleine Rawdha, die sich an ihr Kleid hängt, winkt uns. Dann

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