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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Glück nicht wieder
Schartenbrink –, dessen Mund auf- und zuklappte wie bei einem
Komiker, der seinen Text vergessen hatte.
    Und dann …
    Flora blinzelte und schluckte. Ihr Hunger war plötzlich wie
weggeblasen. Dort auf dem Bildschirm war Heiner. Heiner! Er war es
wirklich! Kein anderer Mensch hatte dieses leidende Grinsen, diese
borstig in alle Richtungen abstehenden rotblonden Haare, diese
ausgeprägten Segelohren.
    Aber wie kam Heiner ins Fernsehen? Er war doch tot!
    Seine Stirn war an der Stelle, wo ihn die Flasche getroffen
hatte, dick verpflastert, und allem Anschein nach sagte er irgendwas.
Jedenfalls bewegten sich seine Lippen.
    Flora holte tief Luft, dann rief sie so beiläufig wie möglich
zur Theke hinüber: »Könnten Sie das bitte mal ein bisschen lauter
machen?«
    Anton schaute Flora erstaunt an, dann folgte er ihren Blicken
hinauf zum Fernseher.
    Der Wirt bückte sich und suchte irgendwo in den Tiefen hinter
der Theke nach einer Fernbedienung. Flora krallte ihre Nägel in die
Tischplatte und wartete, ewig, wie es ihr schien, bis der Wirt endlich
seine Forschungsexpedition erfolgreich abgeschlossen und den Ton lauter
gestellt hatte.
    »… kann man eigentlich nicht sagen«, sagte Heiner gerade zu
einem unsichtbaren Interviewpartner. »Gut, wir hatten möglicherweise
hier und da mal Meinungsverschiedenheiten …« – er
fummelte unauffällig an dem Pflaster herum – »… aber im Grunde
genommen war alles okay. Sie wollte eigentlich nur eins vom Leben: Ein
gutes Buch schreiben. Ich bete, dass es ihr vergönnt ist, das zu Ende
zu bringen. Sie ist so begabt! Flora stand kurz vor dem Durchbruch,
wissen Sie? Ich kann nur an den Entführer appellieren, ihr nichts zu
tun.«
    Er wandte sich mit ernstem Blick direkt zur Kamera. »Wenn Sie
mich jetzt hören können: Bitte denken Sie auch an das unschuldige Kind!«
    »Wer?«, fragte Anton entgeistert. »Wen meint der Kerl?«
    »Na, Sie«, zischte Flora. »Still. Es geht noch weiter.«
    Doch Heiner wurde ausgeblendet, und der Reporter erschien
wieder im Bild.
    »So weit der Lebensgefährte der schwangeren Geisel Flora
Zimmermann, der Expressionist Heiner van Beck. Eine Auswahl seiner
Kunstwerke ist ab kommender Woche in der großen Halle des Bürgerhauses
von W. zu sehen. Unsere nächsten Nachrichten sehen Sie um achtzehn Uhr
dreißig. Ich gebe zurück ins Studio.«
    Flora brach in Tränen der Erleichterung aus. Sie konnte sich
nicht erinnern, je in ihrem Leben so glücklich gewesen zu sein.
    »Ich bin keine Mörderin!«, schluchzte sie.
    »Nicht so laut!«, mahnte Anton.
    Die drei Männer stritten gerade lautstark, ob der vorletzte
Stich ordnungsgemäß bedient worden war, doch Flora war es ohnehin
völlig gleichgültig, ob sie zuhörten oder nicht. Eine zentnerschwere
Last war von ihr gefallen! Sie hatte Heiner nicht umgebracht! Er war
quicklebendig und sogar im Fernsehen! Und nicht nur einfach als Heiner,
nein! Als Expressionist mit einer eigenen Ausstellung!
    »Er ist gar nicht tot«, schniefte sie, mit glückseligem
Lächeln an Anton gewandt. »Und haben Sie gehört, wie nett er über mich
gesprochen hat? Als ob ich ihm wirklich was bedeuten würde! Als hätte
er gar nicht …«
    Plötzlich wandelte sich ihr euphorischer Gesichtsausdruck.
Ihre Miene verfinsterte sich.
    »Als hätte er gar nicht was?«, wollte Anton wissen, gegen
seinen Willen neugierig geworden.
    »Dieser heuchlerische Mistkerl«, gab Flora zähneknirschend
zurück. »Wie ich ihn hasse!«
    Sie umfasste schützend ihren Bauch und wiegte sich selbst hin
und her. »Wenigstens muss ich jetzt meinem Kind nicht erklären, warum
ich seinen Vater kurz vor der Geburt umgebracht habe.«
    »Dafür müssen Sie ihm erklären, warum Sie eine Bank geknackt
haben.«
    Flora verschob ihre Antwort auf später, denn eine Frau mit
Kittelschürze tauchte auf. Anton hielt sich rasch das Gesicht zu, doch
die Frau interessierte sich gar nicht für ihn. Ihrer Ausdünstung nach
zu urteilen, wartete in der Küche außer einer Menge Arbeit auch das
eine oder andere Schnäpschen auf sie. Sie knallte kommentarlos zwei
Teller mit Rührei auf den Tisch und verschwand wieder. Der Wirt hatte
versäumt, die Getränke zu bringen, doch das war Flora gleichgültig. Wer
musste schon trinken? Sie nicht. Sie war vollauf mit Essen beschäftigt.
Das Rührei war himmlisch, das Brot würzig und kross. Zu einer anderen
Zeit hätte sie vielleicht das Rührei trocken und fade und das Brot
altbacken und steinhart gefunden. Doch

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