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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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aufknüpfen!
    Ihre Hand mit der Pistole sank schlaff nach unten. »In
Ordnung«, wisperte sie, zitternd wie ein Strohhalm im Orkan. »Ich geb
auf. Da.«
    Ihre feuchtkalten Finger schoben die Pistole in Antons Hände.
    Anton starrte das plumpe, für eine Waffe ziemlich kleine Ding
an. Aus unerfindlichen Gründen war er jetzt noch sicherer, die Pistole
von irgendwoher zu kennen. Ihm ging dumpf durch den Kopf, dass es
endlich an der Zeit wäre, die ganze Sache zu beenden. Mit Ruhe und
Besonnenheit die richtigen Worte zu finden. Etwa: Keine Panik, die
Herrschaften, immer mit der Ruhe, alles ist vorbei, kein Grund zur
Aufregung mehr. Hier haben wir die Bankräuberin, ich habe alles im
Griff, bitte sehr, sie hat mir sogar die Waffe ausgehändigt,
verständigen Sie jetzt umgehend die Polizei.
    Doch diese Gedanken verflogen schneller, als sie gekommen
waren, und alles, worauf er sich noch konzentrieren konnte, war die
Menschenmenge, die langsam, aber entschlossen herandrängte. Im
Gegensatz zu Flora hatte er jedes einzelne Wort des Mobs gehört. Falls
diese aufrechten Heimwerker noch einen Funken Leben in ihm
ließen – woran Anton ernstlich zweifelte – würde
Kleff sicher nicht zögern, dem Teil, der von ihm noch intakt war,
Handschellen anzulegen.
    »Peng, peng«, machte der Knirps, der ihn als Erster gesehen
hatte, mit dem Zeigefinger auf Anton anlegend und abdrückend.
    Anton hob verdutzt die Pistole. »Das ist ein …«
    Missverständnis, hatte er sagen wollen. Doch damit schien er
alles nur noch zu verschlimmern.
    Von überallher ertönten schrille, empörte Schreie.
    »Er hat ne Pistole!«, kreischte eine Frau.
    »Pistole!«, echote es von allen Seiten durch den Elektromarkt.
    »Achtung, er schießt!«
    Anton packte Flora am Arm und zerrte sie zum Ausgang.
    »Schnappt ihn!«, brüllte jemand.
    »Vorsicht, er könnte die Geisel verletzen!«, schrie eine
Verkäuferin.
    »Was?«, stammelte Flora.
    »Raus hier!«, rief Anton ihr ins Ohr.
    Das Letzte, was Anton sah, bevor er mit der Frau in den Regen
hinausrannte, waren zwei Männer, die mit Mordlust im Blick und
Elektromessern in den Händen näher kamen.
    »Ich bin«, stieß Anton hervor, »ein
Bankräuber.«
    »Reden Sie keinen Blödsinn«, widersprach Flora.
    »Ein Tatverdächtiger«, beharrte Anton, ihren Einwand
überhörend, »ein flüchtiger, mutmaßlicher Verbrecher. Dieser Bankfritze
hat es bestätigt. Banker genießen als Belastungszeugen in puncto
Glaubwürdigkeit bei Behörden höchsten Rang. Sie kommen direkt hinter
Mathematikern und Medizinern.«
    »Quatsch. Passen Sie lieber auf, wohin Sie fahren.«
    Anton starrte durch die Windschutzscheibe in den dichten
Regen. Er fuhr mechanisch, wie ein Roboter. Hielt an, wenn eine Ampel
Rot zeigte. Blinkte, wenn er abbog, fuhr langsamer, wenn der Verkehr
sich staute, beschleunigte, wenn der Abstand zu den vor ihm fahrenden
Wagen größer wurde.
    Er hatte keine Ahnung, wohin er unterwegs war. Vor zehn
Minuten hatte er das letzte Mal auf die Uhr geschaut und festgestellt,
dass alle seine heutigen Termine beim Teufel waren. Genauso wie sein
ganzes Leben. Schließlich war er ein Bankräuber. Und ein Geiselnehmer.
    Der Regen überströmte die Scheiben des BMW. Irgendwo in der
Ferne waren Polizeisirenen zu hören. Anton gab Gas und nahm die nächste
Kurve mit quietschenden Reifen.
    »Wollen Sie uns umbringen?«, fragte Flora.
    »Warum nicht? Dann wären wir deutlich besser dran.«
    »Hören Sie mal, was ist los mit Ihnen? Warum benehmen Sie sich
auf einmal wie ein Angsthase? Das ist doch alles nur ein blöder Irrtum!
Das kann man jederzeit richtig stellen.« Sie betrachtete ihn von der
Seite. »Wenn Sie wollen, rufe ich bei der Polizei an. Ich sage denen
klipp und klar, dass Sie bloß die Geisel sind und mit der ganzen Sache
nicht das Geringste zu tun haben.«
    »Ach«, erwiderte er. Seine Stimme triefte vor Sarkasmus.
»Würden Sie das wirklich für mich tun?«
    »Warum nicht?« Flora überlegte, dann schüttelte sie
stirnrunzelnd den Kopf. »Ich weiß nicht. Haben wir wirklich den
Eindruck gemacht, Komplizen zu sein?«
    »Nicht wir. Sie.«
    »Meinen Sie?«
    Anton ersparte es sich, darauf zu antworten. Wenn es nur
Komplizenschaft gewesen wäre! Das wäre schlimm genug! Doch mittlerweile
war er zum Räuber avanciert und sie zur unschuldigen Geisel. So rasant
hatte sicher noch kein Verbrecher vor ihm die Karriereleiter der
strafbaren Disziplinen erklommen. Er war gefährlich nahe daran, die
Frau unter Einsatz der

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