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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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auf die Leiter stießen, die zum Heuboden
hinaufführte.
    Anton leuchtete mit der Pistole die Holme entlang nach oben.
»Ich weiß nicht«, sagte er beim Anblick der verwitterten Sprossen
zweifelnd. »Vielleicht sollten wir besser irgendwo hier unten pennen.«
    Flora, die überzeugt war, soeben in einer der finsteren Ecken
ein Huschen und Rascheln gehört zu haben, schüttelte entschieden den
Kopf. »Wir schlafen oben. Da ist es sicher lange nicht so zugig wie
hier unten, und Heu gibt's da bestimmt auch genug. Und pass mit dem
Feuer auf, sonst fackelst du hier noch alles ab.«
    »Dafür ist das alles hier viel zu modrig«, widersprach Anton.
»Und oben ist es wahrscheinlich pitschnass, weil das ganze Dach undicht
ist.«
    »Egal. Ich geh jetzt rauf.«
    Sie kletterte entschlossen die Leiter hoch. Anton knipste die
Pistole aus und folgte ihr nach oben in die undurchdringliche
Finsternis.
    Er stieß mit dem Kopf gegen ihren Allerwertesten, als sie am
Ende der Leiter innehielt und versuchte, sich im Dunkeln zu orientieren.
    Anton stieß ein ersticktes Geräusch aus und versuchte, sein
Gesicht aus den Falten ihres Kleides zu befreien, ohne die Leiter
runterzufallen.
    »Was machst du da mit meinen Beinen?«, schimpfte sie von oben.
    »Das ist keine sexuelle Belästigung«, wiegelte er ab.
    »Du lieber Gott, mir ist nicht nach Witzen zumute.«
    »Mir auch nicht.«
    Irgendwie schafften sie es dennoch, beide auf den Heuboden zu
gelangen, ohne dass dabei Sprossen zerbrachen oder die Leiter umkippte.
Oben stellten sie im Schein des Feuerzeugs fest, dass sie beide Recht
gehabt hatten. Es war wesentlich mehr Heu vorhanden als unten, und das
meiste davon war nass. Während Flora aus allen Winkeln leidlich
trockene Halme zusammenklaubte, nahm Anton noch einmal den Abstieg auf
sich, um ein paar der Säcke als Unterlage heraufzuholen.
    Das Heu war muffig, und die Jute der Säcke war kratzig und
roch durchdringend nach Pferd, doch Flora war noch kein Bett so
himmlisch weich und bequem erschienen wie dieses behelfsmäßige Lager.
Ihr Kopf hatte kaum das provisorische Kopfkissen berührt, als sie auch
schon eingeschlafen war. Anton streckte sich an ihrer Seite aus, zog
die Robe über sie beide und lauschte auf die Geräusche der Nacht.
Irgendwo schrie eine Eule, und der Wind fuhr mit schwachem Heulen durch
das Gebälk über ihm. Die Sparren des Dachs knackten von Zeit zu Zeit,
so, als ob ihnen die Last des Alters zu viel wurde. Anton fragte sich,
was er morgen tun würde, am ersten Tag seines künftigen Lebens als
gesuchter Schwerverbrecher. Er grübelte darüber nach, ob er je wieder
als Anwalt würde arbeiten können. Dann legte sich die Müdigkeit wie ein
schweres Tuch über ihn, und alles war ihm gleichgültig.
    In der Nacht wurde er einmal kurz wach. Es war immer noch
dunkel, ohne das geringste Anzeichen von Dämmerung. Flora hatte im
Schlaf seine Nähe gesucht und sich mit dem Rücken an ihn gedrängt.
Seine Hand lag auf ihrem Bauch, und er spürte die Bewegungen des Babys.
Genau da, wo seine Finger lagen, regte es sich unter ihrer Bauchdecke.
Unter seiner Hand bildeten sich Wölbungen, verschwanden wieder,
entstanden an anderer Stelle neu. Anton fühlte sich fasziniert und
gleichzeitig ertappt, als hätte er etwas Verbotenes getan. Seine Finger
brannten wie Feuer, und er zog sie rasch weg, doch es blieb eine
unbestimmte Sehnsucht zurück, die Anton mit in den Schlaf nahm.
    Flora hatte einen entsetzlichen Traum. Im
Gang vor dem Atelier saßen Osh-Kosh und Benetton auf Stühlen, die denen
in Dr. Neumeisters Wartezimmer ähnelten. Ihre kleinen Söhne hockten auf
dem Fußboden und zerfetzten eins von Heiners großformatigen Gemälden.
    Flora gab es einen Stich, als sie das sah. Auf dem Betonboden
war es doch so kalt und zugig! Die zwei würden sich die kleinen Ärsche
abfrieren! Sie machte die Mütter darauf aufmerksam, doch die beiden
waren vollauf damit beschäftigt, ihre reichhaltigen
Erziehungserfahrungen auszutauschen.
    »Meiner geht seit drei Tagen aufs Töpfchen«, verkündete
Osh-Kosh. »Er hat schon zweimal Häufi gemacht.«
    »Man darf die Kinder auf keinen Fall zu früh draufsetzen«,
sagte Benetton. »Sonst überforderst du sie. Wenn du sie nur ein
einziges Mal mit einem kalten Topf erschrickst, haben sie für den Rest
ihres Lebens Verstopfung.«
    Flora schwebte näher heran – ohne mit den Füßen den
Boden zu berühren – und dachte: Jetzt werden sie mich sicher
fragen, wie ich das mache!
    Doch die beiden nahmen

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