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Ich sehe dich

Titel: Ich sehe dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Clark
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Jahren.
    »Wow. Nach all dem, was passiert ist? Mensch, ich habe dich vermisst!«
    Ja, so sehr, dass du in den elf Monaten, die er mich eingesperrt hatte, nicht ein einziges Mal nach mir gefragt hast.
    »Tja …« Sie drückte auf den Liftknopf, um das Schließen der Türen zu stoppen.
    »Die haben nach dir gefahndet! Kannst du dir vorstellen, was hier los war? Jeder im Haus wusste auf einmal irgendeine Geschichte über dich …« Melanie rollte die Augen. »Mensch, Lydia, wo warst du nur? Wir haben uns echt Sorgen gemacht, als du plötzlich weg warst!«
    Wirklich? Hast du mich vermisst gemeldet? Hast du Nachforschungen angestellt? Hast du dich je gefragt, wieso ich einfach abhaue, ohne das mit dir zu besprechen? Mit meiner besten Freundin? Sie lächelte Melanie an. »Wirklich?«
    »Mensch, ja, natürlich! Wir haben dich vermisst gemeldet, tagelang hat keiner bei euch aufgemacht, keiner ist ans Telefon …«
    Die Lifttüren setzten sich wieder in Bewegung. Lydia drückte den Knopf und trat zu Melanie in den Hausgang. »Du hast mich vermisst gemeldet?«
    »Euch beide. Dich und Carlo. Die haben voll rumgezickt erst, am Revier, so von wegen, ihr seid halt im Urlaub, und das würde sich schon aufklären und so, aber dann hab ich deinen Chef dazu gebracht, bei denen anzurufen, und dann haben sie wohl reagiert.« Sie schüttelte den Kopf. Lydia konnte sich gut vorstellen, wie Melanie sich damals über die Polizei echauffiert haben musste.
    »Na, und dann kam Carlo und hat uns deine SMS gezeigt, dass du mit Sven durchgebrannt bist und so … Du, der hat mir richtig leidgetan.« Sie schnitt eine Grimasse, als wolle sie sagen, dass sie sich so eine Gefühlsregung für ihn nicht hätte vorstellen können. »Er war wohl ein paar Tage zu Hause geblieben und wollte niemanden sehen«, fuhr sie fort. »Naja, und dann war Funkstille. Und ein knappes Jahr später steht plötzlich die Polizei vor der Tür.«
    Sie schaute Lydia prüfend an. »Die wollten alles über dich und Sven wissen.« Lydia wich ihrem Blick aus.
    »Es hieß, dass du Carlo mit Öl überbrüht und Sven erstochen hast. Wir waren total geschockt. Das stimmt nicht, oder?«
    »Glaubst du wirklich, ich hätte Sven getötet?«
    Melanie errötete. Dann schüttelte sie langsam den Kopf. »Nein. Aber du hast Carlo zum Krüppel gemacht. Das warst doch du?«
    Lydia nickte.
    Ein Schweigen entstand.
    »Tja, toll, dich zu sehen. Melde dich doch. Bitte.« Melanie machte einen unvermittelten Schritt auf sie zu und umarmte sie. Lydia erstarrte. Melanie löste sich und ging hastig weg. Lydia drückte auf den Liftknopf und sah ihr hinterher.
    »Meli!«, rief sie. »He, warte kurz.«
    Melanie drehte sich um.
    »Ja?«
    Lydia lief auf sie zu. »Hast du dich nie gefragt, warum ich mich nicht wieder gemeldet habe?«
    »Doch, habe ich, aber Carlo hat uns doch …«, stammelte Melanie.
    »… gesagt, dass ich abgehauen bin.« Monatelang habe ich gebetet, dass du mich nicht aufgibst.
    »Ja.« Melanie blickte sie unsicher an.
    »Und das hast du einfach so geglaubt?« Lydia hörte die Schärfe in ihrem Ton, spürte, wie die jahrelange Enttäuschung über das Versagen ihrer Freundin hochschwappte, zusammen mit einer Welle Übelkeit.
    »Natürlich habe ich mich gewundert, aber … Ach komm, Lydia, erinner dich mal, wie du drauf warst. Party, feiern, immer Vollgas! Du wolltest alles nachholen, was du verpasst hattest in deinem komischen Dorf im Osten, wie immer das hieß. Und dann Carlo, der immer hinter dir herspioniert hat. Du hast oft gesagt, dass du keinen Bock mehr hast. Und dass du nicht von zu Hause abgehauen bist, um dich hier von deinem Mann einsperren zu lassen. Und dann die Sache mit Sven. Und deine SMS an Carlo. Was hätte ich denn glauben sollen?«
    »Du hättest an mich glauben sollen. Das hätte ich getan.«
    »Warum hast du mich nicht angerufen?« Melanies Ton hatte eine trotzige Note.
    »Weil ich eingesperrt war!«, brach es aus Lydia heraus. »Hier! Zwei Stockwerke über dir.«
    Sofort bereute sie, was sie gesagt hatte, und doch fühlte sie sich erleichtert.
    »Was? Nie! Du hättest nur um Hilfe schreien müssen, das hätten wir doch gehört. Warum sagst du so was?«
    Lydia schob den Ärmel zurück und hielt ihren Unterarm vor Melanies Gesicht. »Glaubst du, die habe ich mir selbst verpasst? Oder die?« Sie schob Pullover und Jacke wieder über den Arm und tippte mit ihrem Zeigefinger an die Narbe über der linken Augenbraue.
    Melanie schaute sie verunsichert an. »Aber

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