Ich sehe was, was du nicht siehst
Sarkasmus begegnete und einen Schutzwall um sich herum errichtete, hinter dem sie ihre wahren Gefühle versteckte.
»Madison hat ein gutes Herz. Und sie hat eine schlimme Zeit hinter sich.« Er überflog ein paar weitere Absätze des Berichts. »Wie hat Casey es geschafft, in die Datenbank der New Yorker Gerichtsmedizin Einblick zu bekommen?«
Tessa zog die Brauen zusammen, aber ihre Gesichtszüge glätteten sich sofort wieder. »Er hat erwähnt, dass ihm jemand noch einen Gefallen schuldete, und dass er jetzt was bei dir gut hat. Ziemlich viel sogar.« Sie trat zu ihm und warf einen Blick auf den Bericht. »Das, wofür du dich interessierst, steht auf Seite Fünf.«
Er blätterte zu der angegebenen Seite, auf der das Fazit des Gerichtsmediziners zu lesen war. »Das gibt nicht viel her.«
»Das hängt davon ab, wonach man sucht. Das Ergebnis ist ziemlich eindeutig. Damon McKinley starb bei einem Autounfall. Ungewöhnlicher Unfall, aber nicht verdächtig. Ich weiß nicht, was du zu finden gehofft hast.«
Irgendeinen Hinweis darauf, warum Madison glaubt, dass Damon noch am Leben ist.
Er ließ den Bericht sinken. »Ich hatte auf Widersprüche gehofft.«
»Ja, Casey hat so etwas erwähnt.«
Er ließ die Seiten zurück in den Umschlag gleiten und steckte ihn in seine Jackentasche, wobei er gleichzeitig die Verträge herauszog, die Madison ihm gegeben hatte. Er reichte sie Tessa.
»Was ist das?«, fragte sie und blätterte in dem Stapel herum. »Verträge?«
»Das sind Verträge, die laut Madison von ihrem Mann aufgesetzt worden sind – angeblich gefälscht. Kannst du mir einen Gefallen tun und sie Casey geben?«
Sie schob den Stapel in ihre Handtasche. »Kein Problem.« Sie warf einen Blick hinüber zum Haus und trommelte mit den Fingernägeln auf ihrem Oberschenkel herum.
»Alles in Ordnung?«, fragte Pierce.
Tessa lächelte traurig und lehnte sich wieder gegen den Baum. »Ich arbeite zwar noch nicht lange für das FBI , aber sogar mir war klar, dass du dich nicht nur wegen des Berichts und des Schlüssels mit mir treffen wolltest. Oder um mir diese Verträge zu geben.«
»Du hast recht. Ich wollte dir sagen, dass Madison bei mir wohnen wird, bis ich der Sache mit dem Stalker auf den Grund gegangen bin. Ich weiß nicht, wie lange ich sie im Auge behalten muss. Ein paar Tage, eine Woche, vielleicht auch länger.«
»Bei dir wohnen, wie?« Sie schürzte die Lippen. »Na ja, das heißt wohl, dass das versprochene Date auf Eis gelegt wird? Das Date, das du mir in Aussicht gestellt hast, sobald wir den Fall abgeschlossen haben?« Sie warf ihm einen Blick zu. »Oder gleich komplett gestrichen ist.« Ihre Stimme brach und das Lächeln war verschwunden.
Er wusste nicht, was er sagen sollte. Der Gedanke an ein Date mit Tessa löste keine große Begeisterung bei ihm aus, auch wenn er sich eigentlich darauf gefreut hatte, sie besser kennenzulernen – zumindest, bevor er Madison wiedergesehen hatte. Als ihm das klar wurde, hätte er am liebsten laut aufgestöhnt. »Die Dinge sind … etwas kompliziert zurzeit.«
»Nicht komplizierter als sonst auch.« Sie hob die Hand, um ihn vom Widerspruch abzuhalten. »Das ist schon in Ordnung. Ich war diejenige, die Interesse gezeigt hat, obwohl es offensichtlich war, dass da im Hintergrund noch jemand eine Rolle spielte. Es ist nicht schwer zu erraten, um wen es sich handelt. Sie beobachtet uns gerade durch das Hinterfenster.«
Der Drang, über Madisons unmögliches Verhalten zu grinsen, erschien ihm unpassend, deshalb bemühte er sich um eine stoische Miene. »Sie ist die Schwester meines besten Freundes. Ich bin es ihm schuldig, auf sie aufzupassen. Vielleicht können wir es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal miteinander versuchen.«
»Ich denke, dass wir beide wissen, dass es nicht dazu kommen wird.« Sie trommelte nachdenklich mit den Fingernägeln auf der Baumrinde herum. »Wahrscheinlich ist es so am besten. Beziehungen am Arbeitsplatz sind oft ungünstig. So muss sich keiner von uns beiden nach Alaska versetzen lassen, weil es mit uns nicht geklappt hat.« Sie streckte ihm die Hand hin. »Ich nehme an, dass das hier unser offizieller Abschied ist, zumindest auf der persönlichen Ebene.«
Er zögerte, ihre Hand zu ergreifen, da er wusste, dass Madison ihn und Tessa beobachtete. Sie führte sich ohnehin schon wie eine eifersüchtige Furie auf. Tessa wollte schon die Hand sinken lassen, da wurde ihm gerade noch rechtzeitig klar, dass es nicht fair wäre, es so zu
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