Ich Töte
Gesicht und dem Schweigen der Bestätigung, dass nach dem Sohn nun auch ihr Mann woanders sein würde.
»Nicolas ist etwas passiert, oder?«
Frank hatte schweigend genickt.
»Ist er …?«
»Ja, Celine, er ist tot.«
Celine hatte kurz die Augen geschlossen, und ihr Gesicht war leichenblass geworden. Sie wankte leicht, und er befürchtete, sie würde gleich in Ohnmacht fallen. Er tat einen Schritt nach vorn, um sie zu stützen, aber sie fing sich sofort wieder. Frank sah die pulsierende Vene an ihrer Schläfe, während sie nach den Einzelheiten fragte, die er ihr gerne erspart hätte.
»Wie ist es passiert?«
»Ein Verkehrsunfall. Allzu viel weiß ich auch nicht. Er ist von der Straße abgekommen und einen Abhang runtergestürzt. Er muss auf der Stelle tot gewesen sein. Und wenn es dich tröstet, er hat nicht gelitten.«
Während er diese Worte aussprach, wurde ihm klar, wie nichtig sie waren. Nein, das war kein Trost, konnte es nicht sein, auch wenn Nicolas Frank erzählt hatte, was für Qualen Celine und er selbst durchmachen mussten, als Stephane im Koma lag, nur mehr ein dahinvegetierendes Wesen, an eine Maschine angeschlossen, die ihn so lange am Leben erhalten hatte, bis ihr Erbarmen stärker als ihre Hoffnung geworden war und sie beschlossen hatten, die Genehmigung zum Abschalten der Apparate zu geben.
»Komm rein, Frank. Ich habe ein paar Telefonate zu erledigen, aber bis auf eins kann ich sie auf morgen früh verschieben. Und ich muss dich um einen Gefallen bitten …«
Als sie sich zu ihm umdrehte, standen Tränen in den Augen der 399
Frau, die ihren Mann immer noch liebte.
»Alles, was du willst, Celine.«
»Lass mich nicht allein heute Nacht, bitte.«
Sie hatte den einzigen Verwandten von Nicolas angerufen, einen Bruder, der in Amerika lebte und aufgrund der Zeitverschiebung von der Nachricht nicht aus dem Schlaf gerissen würde. Sie hatte kurz die Situation erläutert und ein »Nein, ich bin nicht allein« gemurmelt, offensichtlich als Antwort auf eine besorgte Nachfrage der Person am anderen Ende der Leitung. Sie hatte den Hörer wie einen äußerst zerbrechlichen Gegenstand aufgelegt und sich dann zu ihm umgedreht.
»Möchtest du einen Kaffee?«
»Nein, Celine, ich danke dir. Ich brauche nichts.«
»Lass uns auf das Sofa setzen. Ich will, dass du mich umarmst und mich ganz fest hältst, während ich weine …«
Und so war es gewesen. Sie waren auf dem Sofa sitzen geblieben, in dem schönen Raum mit den Fenstern zur Terrasse und zur Leere der Nacht, und Frank hatte ihr Weinen gehört, bis das Licht den Himmel und das Meer hinter den Scheiben blau färbte. Er hatte ihren erschöpften Körper in eine Art Halbschlaf gleiten sehen und sie solange mit der Zuneigung gehalten, die er ihr und Nicolas schuldig war. Viel später hatte er sie in die Obhut der Schwester und des Schwagers gegeben.
Und jetzt waren sie hier, standen sich wieder gegenüber, und er konnte gar nicht anders, als sie ständig anzusehen, als ob sich seine Augen in ihr verkriechen wollten. Celine verstand die versteckte Frage in diesem Blick. Sie lächelte ihn zärtlich an, den naiven Mann.
»Das ist jetzt nicht mehr nötig, Frank.«
»Was ist jetzt nicht mehr nötig?«
»Ich dachte, du hättest es durchschaut …«
»Was habe ich durchschaut, Celine?«
»Meinen kleinen Wahnsinn, Frank. Ich wusste sehr wohl, dass Stephane tot war, ich hab es immer gewußt, so wie ich jetzt weiß, dass Nicolas nicht mehr da ist.«
Als Celine Hulot seinen verstörten Gesichtsausdruck sah, lächelte sie ihm liebevoll zu und legte eine Hand auf seinen Arm.
»Armer Frank, tut mir Leid, dass ich auch dich getäuscht habe.
Tut mir Leid, dass du jedes Mal leiden musstest, wenn ich den Namen Harriet aussprach.«
Sie hob den Kopf und sah in den grauen Himmel. Ein Möwen400
pärchen kreiste ohne jede Anstrengung in der Höhe, dank des Windes dort oben. Sie waren zu zweit, sie waren zusammen. Vielleicht war es das, was Celine dachte, als sie ihre Flugbahn verfolgte. Ein Windstoß bewegte die Fransen ihres Halstuchs.
Ihre Augen begegneten wieder denen von Frank.
»Es war alles nur Theater, mein Freund. Eine kleine, dumme Komödie, nur um einen Mann daran zu hindern, sich so sehr gehen zu lassen, dass er hätte sterben können. Weißt du, nachdem wir Stephane verloren hatten, nach der Beerdigung, genau hier, war ich mir sicher, dass Nicolas, wenn ich nichts unternähme, zerbrechen würde.
Und zwar noch vor mir. Vielleicht wäre er sogar so
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