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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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sich ein und versuchte, den Bruch zu kitten. Frank wunderte sich, dass er Stellung bezog, auch wenn die Beweggründe wohl mehr als fragwürdig waren.
    »Frank, vielleicht sind wir nach allem, was passiert ist, mit den Nerven etwas am Ende. Ich denke, wir sollten darauf achten, dass unsere Emotionen nicht die Oberhand gewinnen. Wir haben einen Job zu erledigen, der auch ohne zusätzliche Hindernisse schwer genug ist. Unsere persönlichen Unstimmigkeiten, welche auch immer, müssen für den Moment an zweiter Stelle stehen.«
    Roncaille nahm Durand am Arm, der sich nur der Form halber wehrte, und zog ihn fort. Die beiden entfernten sich im Schutz der Regenschirme und ließen ihn allein zurück.
    Frank ging ein paar Schritte und fand sich vor dem Grab wieder, das die sterblichen Überreste von Nicolas Hulot barg. Er beobachtete den Regen, der damit begonnen hatte, die lockere Erde einzuebnen, und spürte die Wut wie glühende Lava in einem Vulkankrater in sich brodeln.
    Ein Lüftchen kam auf und bewegte die Äste eines Baumes in der Nähe. Der Windhauch in den Zweigen schien eine Stimme an sein Ohr zu tragen, die er schon zu oft gehört hatte, seit alles begann.
    Ich töte …
    Hier, genau hier, unter diesem Haufen frisch aufgeworfener Erde lag sein bester Freund. Der Mann, der ihn hatte abdriften sehen, und der die Kraft hatte, ihm die Hand zu reichen, als er sie dringend brauchte. Er war der Mann, der den Mut hatte, all seine Schwächen einzugestehen, und in seinen Augen dadurch nur noch größer wurde.
    Wenn er, Frank Ottobre, hier stand, wenn er noch am Leben war, so war das einzig und allein Nicoles Hulot zu verdanken.
    Fast unbewusst begann er, mit jemandem zu sprechen, der ihm nicht antworten konnte.
    »Er war es, Nicolas, nicht? Du warst kein vorgesehenes Opfer, du warst nicht Teil seiner Pläne, du warst nur ein Hindernis, das zufällig seinen Weg gekreuzt hat. Deshalb sah er sich gezwungen, das zu tun, 403

    was er getan hat. Bevor du starbst, hast du herausgefunden, wer es ist, oder? Was kann ich tun, damit auch ich es herausfinde, Nicolas?
    Was?«
    Frank Ottobre blieb lange vor dem stummen Grab stehen im prasselnden Regen, um wie besessen diese Frage zu wiederholen. Es kam keine Antwort, nicht mal ein geflüstertes Wort in der Sprache der Lüfte, nicht mal ein verschlüsselter Laut in den windbewegten Baumwipfeln.
    404

Neunter Karneval
    Auf dem Friedhof sind nur schwarze Regenschirme.
    An diesem sonnenlosen Tag wirken sie wie hochgestellte Schatten, Projektionen der Erde, Trauergedanken, die über den Leuten tanzen. Nun, da die Zeremonie zu Ende ist, entfernen sie sich langsam und versuchen mit jedem Schritt, die Distanz zwischen ihnen und den Gedanken an den Tod ein kleines Stück zu vergrößern.
    Der Mann sieht den Sarg in die Grube sinken, seine Gesichtszüge bleiben unverändert. Es ist das erste Mal, dass er der Beerdigung einer Person beiwohnt, die er umgebracht hat. Es tut ihm Leid um diesen Mann, es tut ihm Leid um die reservierte Gefasstheit der Ehefrau, die ihren Mann in der feuchten Erde verschwinden sieht. Das Grab, das ihn neben dem des Sohnes aufnimmt, hat, erinnert ihn an einen anderen Friedhof, an eine andere Grabreihe, andere Tränen, andere Schmerzen.
    Vom Himmel fällt ein Regen, ohne Wut und ohne Wind.
    Der Mann denkt, dass die Geschichten sich ewig wiederholen.
    Manchmal enden sie scheinbar, was gar nicht stimmt, weil sich nur die Protagonisten ablösen. Die Darsteller ändern sich, aber die Rollen bleiben immer dieselben. Der Mann, der tötet, der Mann, der stirbt, der Mann, der nichts weiß, der Mann, der endlich versteht und bereit ist, mit dem Leben zu bezahlen, mit dem Wunsch, dass es passiert.
    Ringsum ein anonymer Haufen Komparsen, Leute ohne Bedeutung, dumme Träger bunter Regenschirme, die keinen Schutz bieten, sondern nur ein instabiles Gleichgewicht erhalten auf einem so hoch gespannten Seil, dass sie gar nicht sehen, wie dicht die Erde unter ihnen von Gräbern übersät ist.
    Der Mann schließt den Regenschirm, der Regen fällt nun direkt auf seinen Kopf. Er entfernt sich in Richtung Friedhofsausgang und hinterlässt seine Spuren, Fußabdrücke eines Mannes, die sich zwischen denen anderer verlieren. Wie jede Erinnerung, so werden auch sie früher oder später gelöscht.
    Er beneidet den Frieden und die Stille, welche an diesen Ort zurückkehren, wenn alle fort sein werden. Er denkt an all die Toten, die unbewegt unter der Erde in ihren Särgen liegen, die Augen geschlossen,

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