Ich Töte
weit gegangen, dem Ganzen ein Ende zu bereiten.«
Celine fuhr mit der Stimme derjenigen fort, die einer Erinnerung nachhängt.
»Und so hatte ich auf dem Heimweg im Auto plötzlich diese Idee. Ich dachte, wenn Nicolas sich um etwas anderes sorgen müsste, wenn es etwas anderes gäbe, um das er sich zu kümmern hätte, dann käme er zumindest teilweise von seinen verzweifelten Gedanken an Stephane ab. Selbst eine noch so minimale Ablenkung konnte nützlich sein und Schlimmeres verhindern. So fing alles an. Und so ging es weiter. Ich habe ihn betrogen, und ich bereue es nicht. Ich würde es wieder tun, wenn nötig, aber wie du siehst, ist keiner mehr da, dem ich etwas vortäuschen könnte …«
Jetzt liefen die Tränen von neuem über ihre Wangen. Frank sah in die beeindruckende Tiefe dieser Augen.
In der Welt gab es Menschen, deren einziges Ziel es war, sich im seidenen Gewand zu präsentieren, obwohl es nichts als ein Haufen Fetzen war. Andere hatten große Dinge geleistet, Dinge, welche die Welt verändert hatten. Frank dachte, dass niemand von ihnen an die Größe dieser Frau heranreichte.
Celine lächelte ihn wieder zärtlich an.
»Salut, Frank. Was auch immer du suchst, ich hoffe, du findest es bald. Ich wünsche mir sehr, dass du glücklich bist, denn du hast es verdient. Au revoir, schöner Mann …«
Sie erhob sich leicht auf ihre Zehenspitzen und berührte mit den Lippen seinen Mund. Ihre Hand hinterließ ein schmerzendes Gefühl auf seinem Arm, während sie sich umdrehte und auf dem Kiesweg davonging.
Frank sah, wie sie sich entfernte. Nach wenigen Schritten hielt sie an und wandte sich erneut zu ihm.
401
»Frank, für mich ändert sich nichts. Nichts auf der Welt wird mir Nicolas zurückgeben können. Aber trotzdem könnte es dir weiterhelfen. Morelli hat mir ein paar Details vom Unfall erzählt. Hast du das Protokoll schon gelesen?«
»Ja, Celine, sehr aufmerksam.«
»Claude hat mir erzählt, dass Nicolas im Moment des Unfalls nicht angeschnallt war. Genau das war der Grund für Stephanes Tod.
Wenn unser Sohn damals angeschnallt gewesen wäre, hätte er überlebt. Seitdem hat Nicolas nicht mal den Schlüssel im Zündschloss umgedreht, ohne sich den Gurt umzulegen. Ich finde es ziemlich seltsam, dass er es dieses Mal nicht getan haben soll …«
»Das wusste ich gar nicht über den Unfall deines Sohnes.
Stimmt, jetzt wo du es sagst, kommt es mir auch seltsam vor.«
»Ich sag’s nochmal, für mich ändert das nichts. Aber falls Nicolas tatsächlich ermordet wurde, dann heißt das, dass er auf dem richtigen Weg war, dass ihr auf dem richtigen Weg wart.«
Frank nickte zustimmend. Schweigend. Die Frau wandte sich ab und ging, ohne sich nochmals umzudrehen. Während er Celine nachblickte, kamen Roncaille und Durand zu ihm, mit einem perfekt den Umständen angepassten Gesichtsausdruck. Auch ihr Blick folgte Celines Gestalt, der grazilen, schwarzen Silhouette auf einem Friedhofspfad im Regen.
»Was für ein schmerzlicher Verlust, nicht? Ich kann es noch immer nicht fassen …«
Frank drehte sich mit einem Ruck um. Sein Gesichtsausdruck ließ einen Schatten über das Gesicht des Polizeichefs huschen.
»Ach, ihr könnt es noch immer nicht fassen? Ausgerechnet ihr, die ihr Nicolas Hulot aus Gründen der Staatsraison geopfert habt und ihn zwangsläufig als gebrochenen Mann habt sterben lassen, ausgerechnet ihr könnt es noch immer nicht fassen?«
Frank machte eine Pause, die viel schwerer wog als all die Grabsteine in ihrer Umgebung.
»Solltet ihr es für nötig halten, euch zu schämen, sofern ihr dazu überhaupt fähig seid, dann habt ihr allen Grund dazu.«
Ruckartig hob Durand den Kopf.
»Mister Ottobre, ich verzeihe Ihnen den Groll einzig auf Grund Ihres Schmerzes, doch ich werde nicht zulassen, dass Sie …«
Frank unterbrach ihn schroff. Seine Stimme war trocken wie das Geräusch, wenn ein Ast unter einem Fuß zerbricht.
»Doktor Durand, ich weiß sehr genau, dass Sie meine Anwesen402
heit hier nur schwer verdauen können. Aber ich will um alles in der Welt diesen Mörder fassen, aus tausend verschiedenen Gründen, darunter auch der, dass ich es meinem Freund Nicolas Hulot schuldig bin. Und was Sie zulassen oder nicht zulassen, ist mir absolut egal. Wenn wir an einem anderen Ort und in einer anderen Situation wären, so garantiere ich Ihnen, dass ich Ihre ganze Autorität nehmen und sie Ihnen samt Zähnen in den Hals stopfen würde.«
Durands Gesicht glühte. Roncaille schaltete
Weitere Kostenlose Bücher