Ich Töte
an?
Er seinerseits hatte für ein Heidengeld ein Exklusivinterview an eine Wochenzeitschrift verkauft und vom Verleger einen angemessenen Vorschuss für ein instant book mit dem Titel Mein Leben mit Keiner bekommen, an dem er bereits arbeitete. Dann war da auch noch der unerwartete Gewinn im Café de Paris. Und der Abend war noch nicht zu Ende …
Die Tatsache, dass Jean-Loup noch frei herumlief, bereitete ihm keine Sorgen.
Dieser Typ stellte kein Problem mehr dar. Laut Polizei konnte es sich nur noch um Stunden handeln. Wo konnte sich ein Mann schon verstecken, dessen Foto in allen Zeitungen war und von dem jeder Polizist von hier bis Helsinki ein Fahndungsbild in Händen hatte?
Der Stern Jean-Loup war für immer erloschen.
Nun ging Laurent Bedons Sonne auf.
Zu seiner Überraschung hatte er festgestellt, dass ihn selbst Barbara nicht mehr die Bohne interessierte. Soll sie doch ihren Polizis437
ten behalten, ihren Wachhund. Er hatte begriffen, dass seine Hartnäckigkeit der Frau gegenüber allein auf seine schlechte Verfassung zurückzuführen war. Wahrscheinlich hatte er sie als Symbol seines eigenen Scheiterns gesehen, als hervorstechendste Personifizierung des Mülls, den sein Leben ihm damals lieferte.
Nun war er derjenige, der auf einem kleinen Thron saß, und es lag in seiner Hand, über Ja oder Nein zu bestimmen. Das Einzige, was er sich noch wünschen würde, wenn er überhaupt noch etwas von ihr wollte, wäre, dass sie auf Knien angekrochen käme und zugäbe, einen großen Fehler begangen zu haben, als sie ihn verlassen hatte. Er hätte gerne gehört, wie ihre reuevolle Stimme ihn bat, ihr zu verzeihen und sie wieder zu sich zu nehmen.
Das alles nur, um ihr triumphierend die Wahrheit ins Gesicht zu schreien. Er brauchte sie jetzt nicht mehr. Und er würde sie nie wieder brauchen.
Er setzte sich auf eine Bank, rechts im Park, wo es schattiger war.
Er zündete eine Zigarette an und lehnte sich zurück, blickte auf diese Welt, die sich um ihn drehte, ohne dass er sich diesmal fehl am Platze fühlte.
Kurz darauf trat von hinten aus dem Schatten die Gestalt eines Mannes und setzte sich neben ihn. Er drehte sich und sah ihn an.
Seine Augen, leblos wie die eines ausgestopften Tieres, flößten ihm keine Furcht ein. Für ihn bedeutete dieser Mann ganz einfach: Geld im Anmarsch.
»Guten Abend, Laurent«, sagte der Mann auf Englisch.
Laurent nickte leicht mit dem Kopf und antwortete in derselben Sprache.
»Guten Abend. Ich freue mich, Sie wieder unter uns begrüßen zu dürfen, Captain Mosse.«
Der andere ignorierte die tiefere Bedeutung dieser Begrüßung. Er ging sofort zum eigentlichen Grund ihres Treffens über.
»Haben Sie, um was ich Sie gebeten hatte?«
Laurent stellte den Wachstuchsack, der eben noch über seiner Schulter hing, auf die Bank zwischen sie.
»Klar, hier. Das ist natürlich nicht vollständig. Ich habe das Material eher zufällig ausgewählt. Wenn Sie mir gesagt hätten, wofür Sie das Zeug brauchen, hätte ich …«
Ryan Mosse unterbrach ihn. Er überging die indirekte Frage und hielt ihm einen billigen Aktenkoffer hin.
»Da drin ist das, was wir vereinbart hatten.«
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Laurent nahm den Koffer und legte ihn auf seinen Knien ab. Er ließ das Schloss aufschnappen und hob den Deckel. Im Halbschatten sah er so viele Geldbündel, dass er sich damit hätte komplett zudecken können. Für Laurent strahlten sie stärker als jede beliebige Beleuchtungsanlage.
»Okay.«
»Zählen Sie gar nicht nach?«, fragte Mosse in einem leicht ironischen Ton.
»Sie haben ja auch nicht die Möglichkeit, das Material, das ich Ihnen mitgebracht habe, an Ort und Stelle zu überprüfen. Es käme mir wie ein grober Stilbruch vor, Ihrem Vertrauen nicht mit demselben Vertrauen zu begegnen.«
Captain Mosse erhob sich. Die Übergabe war beendet.
Die Gesellschaft des jeweils anderen war mit Sicherheit weder für ihn noch für Laurent hinreichend vergnüglich, um das Treffen länger andauern zu lassen.
»Auf Wiedersehen, Monsieur Bedon.«
Laurent blieb auf der Bank sitzen und hob die Hand.
»Auf Wiedersehen, Captain Mosse. Es ist immer wieder ein Vergnügen, mit Ihnen Geschäfte zu machen.«
Er blieb sitzen und sah der athletischen Figur des Amerikaners nach, der sich festen Schrittes entfernte und auch in Zivil den militärischen Einschlag nicht verhehlen konnte. Er wartete auf der Bank, bis Mosse aus seinem Blickfeld verschwunden war. Seine Laune war ausgezeichnet. Der Abend war wirklich
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