Ich Töte
herum.
Er kippte das Motorrad auf den Seitenständer und stieg blitzschnell ab. Ganz auf seine Bedürfnisse abgestimmt, hatte er den Mechanismus so geändert, dass der Motor nicht automatisch abstarb, wenn er den Ständer ausklappte.
Er näherte sich dem Mann auf dem Boden und hielt seine linke Hand in der Tasche, wo sich der Stoff der Jacke deutlich ausbeulte.
»Wenn du dich bewegst, bist du ein toter Mann.«
Remy kniete sich hin, griff in die Jacke des anderen und zog das Geldbündel, das er in der Innentasche fand, heraus. Er war nicht sonderlich zimperlich und hörte, wie das dünne Futter riss. Ohne das Geld anzusehen, stopfte er es in seine Jacke. Er stand wieder auf und 445
streckte dem Mann auf dem Boden eine Hand entgegen.
»Lass den Koffer los.«
Dieser Typ war schon von Haus aus eine mickrige Gestalt mit kränklichem Gesicht. Mit der blutig geschlagenen Nase schien er erst recht kurz davor, Gott seine Seele zu empfehlen. Wer hätte gedacht, dass er überhaupt in der Lage war zu reagieren? Bisher war alles so schnell gegangen, dass er sich der Situation gar nicht bewusst werden konnte. Als er endlich realisierte, was passierte, dass nämlich dieser Typ mit Motorrad und Lederjacke ihn ausrauben wollte, sprang er mit einem Ruck auf und verpasste Remys Helm einen kräftigen Schlag mit dem Koffer.
Der junge Mann war sich sicher, dass der Typ so ein richtiges Weichei war. Seine Reaktion verdankte sich purem Instinkt, aber keiner Selbstverteidigungsstrategie. Reine Panik und sonst nichts.
Hätte er, statt ihn auf den Helm zu schlagen, mit dem einzigen Ergebnis, dass der Kopf leicht zur Seite nachgab, ihm mit derselben Kraft den Koffer zwischen die Beine gerammt, dann hätte er ihm mit Sicherheit die Eier zerquetscht.
Remy war robust, sehr viel robuster als sein Opfer. Mit der Faust schlug er den Mann genau auf dieselbe Stelle wie vorhin. Er hörte einen Zahn brechen. Würden ihn seine Handschuhe nicht schützen, hätte er sich noch an der Hand verletzt.
In diesem Moment liefen zum Glück keine anderen Leute in der Nähe herum, nur ein Wagen fuhr auf der anderen Seite die Straße hinauf. Einer der Insassen hatte sich nach ihnen umgedreht. Wenn ihm klar geworden war, was hier passierte, und sie zur Place du Casino kamen, wo immer ein paar Polizisten waren, dann könnte sich die Geschichte noch unangenehm entwickeln. Er musste sich beeilen.
Trotz des zweiten Faustschlags ließ der Mann noch immer nicht seinen Koffer los. Aber die beiden Hiebe hatten ihn ganz schön benebelt. Die Nase pisste richtiggehend Blut und färbte Jacke und Hemd rot. Er hatte Tränen in den Augen, sowohl von den Schlägen als auch vor Wut.
Remy packte den Koffer am Griff, zog mit aller Kraft und konnte ihn dem anderen schließlich aus der Hand reißen. Er drehte sich um und ging zum Motorrad. Sein Opfer fand die Kraft, vielleicht aus reiner Verzweiflung, die Hände um seinen Hals zu werfen und sich in seinen Rücken zu krallen.
Remy versuchte, ihn abzuschütteln. Ohne Erfolg.
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Mit dem Ellbogen versetzte er ihm einen Schlag in den Bauch. Er fühlte, wie der Arm gewaltsam sein weiches Fleisch umklammerte, während der Mann an seinen Schultern eine gewaltige Menge Luft ausstieß. Remy erinnerte das Geräusch an einen Luftballon, der sich plötzlich entleerte.
Er spürte, wie das Gewicht des Mannes von seinem Rücken glitt.
Er wandte sich um und sah, wie er sich vor Schmerzen krümmte, wie er die Arme vor dem Bauch kreuzte. Um weiteren Überraschungen vorzubeugen, versetzte er ihm einen leichten Stoß in den Rücken.
Keinen Tritt, sondern eine Berührung mit dem Fuß, um ihn von sich wegzuschieben.
Der Mann rutschte vom Bürgersteig und fiel genau in dem Moment auf die Straße, als eine große schwarze Limousine in verhaltenem Tempo von der Avenue d’Ostende herunterkam.
Laurent wurde voll mitgenommen und von dem Schlag auf die Straßenseite geschleudert. Das Becken und ein Bein brachen. Sein Kopf schlug hart gegen die Bordsteinkante.
Er war sofort tot.
Er hörte nicht mehr den Lärm eines Motorrads, das in vollem Tempo davonraste, nicht mehr den hysterischen Schrei einer Frau, nicht mehr die quietschenden Bremsen eines anderen Wagens, der wie festgenagelt stehen blieb, um den Körper nicht anzufahren, der reglos auf der Straße lag, ausgestreckt in einer Blutlache, die sich von seinem Kopf aus langsam über den Asphalt verbreitete.
Der Zufall, dieser Spötter der Lebenden und der Toten, ließ einen Wind aufkommen.
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