Ich Töte
Stempel »top secret«. Frank musste widerwillig feststellen, dass ein »top secret« der französischen Geheimdienste deutlich weniger elastisch war als das von Pierrot.
Alles, was sie herausbekommen konnten, war, dass Legrand irgendwann seine aktive Tätigkeit beim Geheimdienst aufgegeben und sich in die Provence zurückgezogen hatte, um in absoluter Einsamkeit zu leben. Damals ging es um komplizierte diplomatische Manöver und um Staatsgeheimnisse, um gewisse Hindernisse umgehen und gewisse Mauern durchbrechen zu können. Aber wenn Legrand eine Leiche in jemandes Keller war, könnte es äußerst schwer werden, diesen Jemand zu überreden, den Keller zu öffnen.
Andererseits durfte man nichts unterschätzen, weder Vergangenes noch Zukünftiges. Keiner war sehr gefährlich, und seine Freiheit war für jeden, der mit ihm in Kontakt kommen könnte, lebensbedrohlich.
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Zunächst tötete er als Opfer seines Wahns, folgte aber strengen Mustern. Jetzt befand er sich im Überlebenskampf, und jeder stellte für ihn einen Feind dar. Die Leichtigkeit, mit der er sich der drei Polizisten in seinem Haus entledigt hatte, sprach Bände von seinen tatsächlichen Fähigkeiten. Das war nicht nur ein harmloser Radio-DJ, ein hübscher Typ, der für gewöhnlich Musik auflegte und Höreranrufe beantwortete. Bei Bedarf verstand er es, sich in einen Kämpfer ersten Ranges zu verwandeln. Die drei Leichen der perfekt geschulten Polizisten waren der beste Beweis dafür.
In diesem ganzen Chaos hatte Frank versucht, Helena in einen versteckten Winkel seines Gedächtnisses zu drängen, aber es war ihm nicht gelungen. Er empfand ihr Fehlen so lebhaft, dass er einen fast körperlichen Schmerz verspürte, und sie als Gefangene in den Händen dieses skrupellosen Wesens, das ihr Vater war, zu wissen, machte die Sache nicht besser. Das Gefühl der Ohnmacht brachte ihn ganz langsam dazu, all seine psychischen Hemmungen über Bord zu werfen. Was ihn davon abhielt, zu ihr nach Hause zu rennen und General Parker so lange zu würgen, bis er tot umfiel, war einzig die Gewissheit, dass ein solches Verhalten die Situation nur noch verschlimmern würde.
Seht, hier bin ich. Das bin ich jetzt. Ein Mann an einem Schreibtisch, der nicht weiß, wo er anfangen soll mit der Jagd auf seine Gespenster.
Er öffnete eine Schreibtischschublade und legte den Stapel Agenturmeldungen hinein, obwohl er große Lust gehabt hätte, sie in den Papierkorb zu werfen. Auf dem Schreibtisch sah er eine Diskette, die er dorthin gelegt hatte, als er das Büro erstmals als sein eigenes betreten hatte. »Cooper« stand auf dem Etikett, in seiner eigenen Handschrift. In dem ganzen Trubel der letzten Tage hatte er das Telefonat mit Cooper und die Überwachung dieses Typen, dieses Anwalts namens Hudson McCormack, um die er ihn gebeten hatte, völlig vergessen.
Es war nicht gerade der Zeitpunkt, um eine solche Bitte vorzutragen, aber man konnte es immerhin versuchen. Das schuldete er Cooper und allem, was sie gemeinsam durchgemacht hatten, um Jeff und Osmond Larkin hinter Gitter zu bringen.
Er drückte den Knopf des Haustelefons und rief Morelli an.
»Claude, würde es dir etwas ausmachen, kurz rüberzukommen?«
»Ich wollte sowieso gerade zu dir. Bin gleich da.«
Kurze Zeit später betrat der Inspektor das Büro.
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»Bevor du was sagst, muss ich dir etwas mitteilen. Laurent Bedon ist tot.«
Frank zuckte auf seinem Stuhl zusammen.
»Wann?«
»Heute Nacht.«
Morelli streckte schützend die Hände aus, um eine Reihe von vorhersehbaren Fragen abzuwehren.
»Nein, es hat nichts mit unserer Sache zu tun. Der arme Kerl ist bei einem Überfall gestorben. Er hatte gestern Abend im Café de Paris ein schönes Sümmchen gewonnen, und das wurde ihm von irgendeinem Hühnerdieb abgenommen, hinter der Place du Casino.
Er hat versucht, sich zu wehren, ist auf die Straße gefallen und von einem Auto überfahren worden. Der Dieb ist auf einem Motorrad geflohen. Wenn das Kennzeichen stimmt, das ein Zeuge gemeldet hat, wird er in ein paar Stunden geschnappt sein.«
»Schon, und trotzdem ist es ein weiterer Toter unter denen, die in diese Geschichte verwickelt sind. Jesus! Es scheint ein Fluch in der Luft zu liegen.«
Morelli entspannte die Situation mit einem Kurswechsel.
»Abgesehen von dieser wenig erfreulichen Sache, was wolltest du mir sagen?«
Frank erinnerte sich, warum er ihn gerufen hatte.
»Claude, ich wollte dich um einen Gefallen bitten.«
»Sag schon.«
»Es ist was
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