Ich Töte
könnte. Ich werde hier abhauen, sobald ich den Drang verspüre, eine Vierzig-Meter48
Yacht zu kaufen, und mir nicht mehr verrückt dabei vorkomme.«
Er stand mit dem Telefon am Ohr auf und ging vollkommen nackt zum Bad hinüber. Im Halbdunkel setzte er sich auf die Klobrille und begann zu urinieren.
»Wenn du es schaffst, eine zu kaufen, sag mir, wie du das angestellt hast, damit ich es auch mal versuche.«
Cooper hatte sich von Franks beißender Ironie nicht ins Bockshorn jagen lassen, doch er ging bewusst auf das Spiel ein. Frank stellte ihn sich vor, wie er in seinem Büro hinter seinem Schreibtisch saß, am Telefon, mit einem gequälten Lächeln und einer mitleidigen Miene auf dem Gesicht. Cooper war derselbe wie immer. Er hingegen war ein Mann, der den Boden unter den Füßen verlor, und das wussten sie beide.
Sie schwiegen wieder einen Augenblick, dann glaubte Frank das Zischen zu hören, mit dem Cooper die Luft aus ihrem Spiel ließ.
Seine Stimme klang jetzt härter, aber auch besorgter.
»Frank, meinst du nicht …«
Er wusste schon, was jetzt kommen würde, und unterbrach ihn sofort.
»Nein, Cooper. Noch nicht. Ich bin einfach noch nicht so weit, um zurückzukehren. Es ist zu früh.«
»Frank, Frank, Frank! Es ist fast ein Jahr her. Was glaubst du denn, wie viel Zeit du noch brauchst, bis …«
In Franks Kopf verloren sich die Worte des Freundes in dem unendlichen Raum zwischen hier und Amerika und der Leere des Weltraums. Er hörte nur noch die Stimme seiner Gedanken.
Tja, wie lange noch, Cooper? Ein Jahr, hundert Jahre, eine Million Jahre? Wie lange braucht ein Mensch, um zu vergessen, dass er zwei Leben zerstört hat?
»Außerdem hat Homer klar und deutlich erklärt, dass du in den Dienst zurückkommen kannst, wann immer du willst, wenn dir das vielleicht weiterhilft. Du könntest uns weiterhelfen, das auf jeden Fall. Nur der Himmel weiß, wie sehr wir Leute wie dich gerade jetzt brauchen. Meinst du nicht, wenn du hier wärst und wieder Teil von etwas wärst, dass dir das nach all dem ganzen …«
Mit scharfer Stimme schnitt Frank jeglichen weiteren Versuch der Annäherung ab.
»Cooper, nach all dem Ganzen bleibt nur eine einzige Sache …«
Coopers Schweigen war das eines Menschen, dem eine Frage auf der Seele brennt, die zu stellen er jedoch nicht einmal im Flüsterton 49
wagen würde. Dann war seine Stimme zu hören, und die Entfernung zwischen hier und Amerika war nichts im Vergleich zu dem Abstand, der zwischen ihnen beiden lag.
»Was denn nur, Frank, um Himmels willen?«
»Der Himmel spielt hier keine Rolle. Das geht nur mich etwas an. Mich und mich. Und du weißt, dass in diesem Kampf keine Gefangenen gemacht werden.«
Er hielt den Hörer vom Ohr weg und sah im Halbdunkel seinem Finger zu, der das Gespräch beendete.
Er hob den Blick und betrachtete seinen nackten Körper im gro
ßen Badezimmerspiegel. Die nackten Füße auf dem kalten Marmorboden, muskulöse Beine, von dort plötzlich hinauf zu den teilnahmslosen Augen und dann wieder hinunter zum Rumpf und den rosafarbenen Narben, die ihn überzogen. Wie von einem eigenen Willen getrieben, hob sich seine rechte Hand und strich leise darüber hinweg. Er wehrte sich nicht gegen das tägliche Aufflackern des Todes, den er in sich trug.
Das Erste, was er gesehen hatte, als er aufwachte, war Harriets Gesicht gewesen. Dann war auch Coopers Gesicht allmählich aus den Nebeln aufgetaucht. Als es ihm gelang, sich im Zimmer umzusehen, hatte er auch Homer Woods erkannt, der unerschütterlich in einem kleinen Sessel an der Wand gegenüber dem Bett saß, die Haare straff zurückgekämmt, mit blauen Augen, die ihn ausdruckslos durch die goldgefassten Brillengläser musterten.
Er hatte seiner Frau den Kopf zugedreht und wie im Traum war ihm bewusst geworden, dass er sich in einem Krankenzimmer befand. Grünliches Licht, das durch die Vorhänge fiel, ein Blumenstrauß auf dem Tisch, Schläuche, die aus seinem Arm ragten, das eintönige Piepen eines Überwachungsmonitors. Alles drehte sich. Er hatte versucht, etwas zu sagen, aber seine Stimme schaffte es nicht aus ihm hinaus.
Harriet war näher getreten und hatte ihr Gesicht an seines geschmiegt. Sie hatte ihm eine Hand auf die Stirn gelegt. Er hatte ihre Hand wahrgenommen, ihre Worte jedoch nicht, denn er war noch immer halb in jenem Ort versunken, aus dem er gerade kam.
Als er schließlich vollständig in sich zurückgekehrt war und wieder sprechen und denken konnte, war Homer Woods
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