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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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seinem Blick standzuhalten, als sie miteinander sprachen. Fast als gäbe er sich die Schuld für das, was passiert war.
    »Also, Morelli?«
    »Kommissar, das ist ein Schlachthaus. So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen …«
    »Claude, ganz ruhig, jetzt nochmal langsam. Was meinst du mit
    ›Schlachthaus‹? Mir wurde gesagt, es hat einen Mord gegeben.«
    »Zwei, Kommissar. Da drin sind die Leichen eines Mannes und einer Frau, oder zumindest das, was davon noch übrig ist.«
    Kommissar Hulot wandte sich um und ließ seinen Blick über die neugierige Menge schweifen, die sich hinter den Absperrungen rund um den Tatort drängte. Monaco war kein Ort, an dem dergleichen passierte. Die Polizei war eine der effektivsten der Welt, und die Kriminalitätsrate war so niedrig, wie sie es nur hier oder in den Träumen eines Innenministers sein konnte. Auf sechzig Einwohner kam ein Polizist. Überall waren Kameras installiert. Alles war unter Kontrolle. Die Leute hier bereicherten oder ruinierten sich, aber sie ermordeten sich nicht. Es gab keine Raubüberfälle, es gab keine Morde, es gab keine Verbrecher.
    In Monte Carlo passierte qua definitionem nie etwas.
    »Hat irgendjemand etwas gesehen?«
    Morelli wies auf einen ungefähr dreißigjährigen Mann, der vor der Bar zwischen einem Polizisten und einem Assistenten der Rechtsmedizin saß. Das Lokal, das um diese Zeit normalerweise vor Menschen und Marken-T-Shirts überquoll, wirkte wie ausgestorben.
    Fast alle, die als Zeugen in Betracht kamen, wurden festgehalten, doch allen anderen Gästen war der Zutritt verwehrt worden. Der 55

    Besitzer stand auf der Schwelle neben einer Kellnerin mit üppigem Busen, und rang nervös die Hände.
    »Der Kapitän der Baglietto , in die sich der Zweimaster gebohrt hat. Sein Name ist Roger Irgendwas. Er ist an Bord gegangen, um sich wegen der Kollision zu beschweren. An Deck hat er niemanden angetroffen, also ist er runter und hat sie da gefunden. Er steht noch unter Schock, und sie versuchen gerade, irgendetwas aus ihm herauszubringen. Delorme, der Neue bei uns, ist nach ihm aufs Boot gegangen. Jetzt sitzt er im Wagen und ist nicht viel besser beisammen.«
    Der Kommissar sah erneut zur anderen Seite hinüber, zu den Neugierigen, die zwischen den Absperrungen und dem Boulevard Albert Premier eingezwängt waren, wo eine Gruppe von Arbeitern gerade die letzten Überreste der Boxen und der Tribünen abbaute, die für das Rennen errichtet worden waren. Er wünschte sich das Durcheinander vom Grand Prix zurück, die Menschenmassen und die kleinen Unannehmlichkeiten, die so ein Ereignis manchmal mit sich bringt.
    »Na, dann wollen wir uns das mal anschauen.«
    Sie gingen den schwankenden Steg der Baglietto hinauf und gelangten von der Yacht über einen weiteren Steg, der die Decks der beiden Schiffe verband, schnell auf die Forever. Als er hinunterging, fiel Hulots Blick zuerst auf das mit dem Bootshaken blockierte Ruder, dann sah er die Spur aus geronnenem Blut, die über den Teakholzboden führte und sich im Dunkel unter Deck verlor. Obwohl die Sonne schon viel Kraft hatte, spürte er, wie seine Fingerspitzen plötzlich kalt wurden.
    Was zum Teufel war auf diesem Boot geschehen?
    Morelli zeigte auf die Stufen, die nach unten führten.
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, warte ich hier, Kommissar.
    Einmal ist mehr als genug für einen Morgen.«
    Als er die Stufen aus rutschfestem Holz hinunterstieg, stieß er fast mit Doktor Lassalle zusammen, dem Gerichtsmediziner, der gerade heraufkam. Er hatte im Fürstentum kaum je etwas zu tun, und seine Berufserfahrung war extrem begrenzt. Hulot hielt nichts von ihm, weder persönlich noch beruflich. Er hatte die Stelle nur auf Grund der Kontakte und Beziehungen seiner Frau bekommen und genoss sein Leben und sein Gehalt, ohne jemals einen Finger für das krumm zu machen, wofür er eigentlich bezahlt wurde. Irgendwie hatte Hulot ihn immer für überflüssig gehalten. Seine Anwesenheit 56

    hier bedeutete, dass im Moment niemand sonst verfügbar war.
    »Guten Tag, Doktor Lassalle.«
    »Guten Tag, Herr Kommissar.«
    Den Arzt schien seine Ankunft zu erleichtern. Es war offensichtlich, dass er mit der Situation überfordert war.
    »Wo sind die Leichen?«
    »Da drüben, ich zeige es Ihnen.«
    Jetzt, als sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, sah er wieder die Blutspur, die über den Fußboden verlief und hinter einer geöffneten Tür verschwand. Zu seiner Rechten befand sich ein Esstisch,

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