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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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eine Sache, die ihm voll und ganz gehörte. Und er war bereit, jeden wie einen Käfer zu zertreten, der irgendwie diese Situation, die er in seinem Wahn für absolut legitim hielt, zu gefährden wagte.
    Deshalb hasste er Frank. Er hatte sich ihm in den Weg gestellt.
    Er hatte ihm eine Persönlichkeit entgegengesetzt, die genauso stark war wie seine eigene. Obwohl Frank ein schweres Schicksal zu tragen hatte, begriff Parker, dass die Kraft dieses Mannes nicht krank war, sondern gesund. Dass sie nicht aus der Hölle kam, sondern aus der Welt der Menschen. Und mit dieser Kraft gesegnet hatte Frank es gewagt, ihm entgegenzutreten, hatte sich geweigert, ihm zu helfen, als er ihn darum gebeten hatte, und war schließlich in seine Privatsphäre eingedrungen, statt den nötigen Abstand zu wahren.
    Doch was am schlimmsten war, er hatte keine Angst vor ihm.
    Dass sich Ryan Mosse als unschuldig erwiesen hatte, dass er aus der Haft entlassen worden war und dass der FBI-Agent Frank Ottobre seinen Irrtum öffentlich hatte zugeben müssen, hielt Nathan Parker für einen persönlichen Erfolg. Jetzt fehlte nur noch, dass Arijanes Mörder gefasst wurde, und er hätte seinen absoluten Triumph. Helena zweifelte nicht einen Augenblick daran, dass ihm das gelingen oder dass er zumindest alles dafür tun würde.
    Helena dachte an die arme Arijane. Das Leben ihrer Halbschwester war nicht viel besser gewesen als ihr eigenes. Sie und Arijane hatten verschiedene Mütter. Helena hatte die ihre praktisch nicht gekannt. Sie war an Leukämie gestorben, als Helena drei Jahre alt gewesen war. Damals hatte es noch kaum Therapien für diese 471

    Krankheit gegeben, und obwohl es ihnen an finanziellen Mitteln nicht mangelte, war sie binnen kürzester Zeit gestorben. Nur ein Stapel Fotos und ein paar Super-Acht-Filme waren von ihr geblieben, wenige Aufnahmen von den etwas abgehackten Bewegungen einer schmalen blonden Frau, die mit sanftem Gesicht, die kleine Tochter auf dem Arm und den herrschsüchtigen Ehemann in Uniform an ihrer Seite, in die Kamera lächelte.
    Noch heute sprach Nathan Parker über ihren Tod wie über einen Affront des Schicksals. Helena hatte den Eindruck, als ließen sich die Gefühle ihres Vaters über das Ableben seiner Frau in einem einzigen Wort zusammenfassen: inakzeptabel.
    Helena war allein aufgewachsen, umgeben von einem Schwarm von Gouvernanten, die immer häufiger wechselten, je älter sie wurde. Als Kind hatte sie nicht geahnt, dass diese Frauen, sobald sie merkten, was für eine Atmosphäre im Hause Parker herrschte, was für ein Mensch der General wirklich war und was sie von ihm zu erwarten hatten, trotz der großzügigen Bezahlung freiwillig den Dienst quittierten und die Haustür mit einem Seufzer der Erleichterung hinter sich zuzogen.
    Dann war Nathan Parker nach einem längeren Europaaufenthalt als Kommandant in irgendeiner NATO-Angelegenheit nach Amerika zurückgekehrt und hatte ohne jede Vorankündigung als Souvenir eine neue Ehefrau mitgebracht, Hanneke, eine dunkelhaarige Deutsche mit majestätischem Körper und grünen Augen, die so kalt waren wie Eis. Ihr Vater hatte die Sache so knapp wie immer erledigt.
    Er hatte ihr die völlig fremde Frau mit der glatten, blassen Haut als neue Mutter vorgestellt. Und das war sie immer geblieben. Nicht ihre Mutter, sondern eine völlig fremde Frau.
    Kurz darauf war Arijane geboren.
    Ganz von seiner steilen Karriere in Anspruch genommen, hatte der General die Führung des Haushalts Hanneke überlassen, und sie hatte die Pflichten mit derselben Kälte wahrgenommen, die in ihren Adern zu fließen schien. Ihre Umgangsformen waren von einer manchmal geradezu erschreckenden Förmlichkeit gewesen. Helena wurde nicht erlaubt, ihre Schwester wie ein normales kleines Mädchen zu behandeln. Für sie war Arijane eine andere, kleine Fremde gewesen, die im selben Haus wohnte, nicht eine Spielgefährtin, mit der sie gemeinsam hätte aufwachsen können. Ihre Zeit hatte sie mit Gouvernanten, Kindermädchen, Erzieherinnen und Privatlehrern verbracht.
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    Als Helena zu einem hübschen jungen Mädchen herangewachsen war, ereignete sich die Geschichte mit diesem Jungen, Andres. Andres war der Sohn von Bryan Jeffereau, dem Gärtner, der mit der Pflege des Parks betraut war, in dem das große Haus der Parkers lag.
    Im Sommer, während der Schulferien, arbeitete er als Hilfskraft im Garten mit, um »Erfahrungen zu sammeln«, wie sein Vater stolz erklärte, wenn er mit Nathan Parker sprach. Der

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