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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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»Sprung ins Dunkle« hätte reden können.
    Nach wenigen Schritten, die er mit dem Gefühl zurückgelegt hatte, er laufe wie ein dressierter Hund, war ihm der Beistand des leichten Lichtschimmers hinter seinem Rücken abhanden gekommen, und er war in die völlige Schwärze vorgedrungen. Obwohl er sich Zeit genommen hatte, seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, sah er absolut gar nichts.
    Die Pistole in der Rechten, schob er sich an der linken Wand entlang, den Körper leicht nach hinten gelehnt und mit der freien Hand vorantastend, um sich zu vergewissern, dass er nicht auf Hindernisse stoße oder, schlimmer noch, in irgendwelche Öffnungen falle. Wenn ihm hier unten etwas passierte, in diesem Loch, von dessen Existenz niemand etwas ahnte, würde er bis zum Jüngsten Tag nicht wieder zum Vorschein kommen.
    Vorsichtig bewegte er sich vorwärts, Meter um Meter. Seine Beine begannen zu schmerzen, vor allem das rechte Knie. Es war das Kniegelenk, an dem ihm bei einem Footballspiel der Meniskus und die Kreuzbänder draufgegangen waren, was ihm nicht nur die Möglichkeit genommen hatte, weiter in der Collegemannschaft zu spielen, sondern auch jede Perspektive, wenn er denn je eine gehabt hatte, auf eine Zukunft als Profisportler. Für gewöhnlich trainierte er seine Beinmuskeln in ausreichendem Maße, um keine Probleme zu kriegen. Leider ließen seit einiger Zeit seine Bemühungen ziemlich zu wünschen übrig, und die Haltung, in der er sich fortzubewegen gezwungen war, um im Tunnel voranzukommen, hätten auch den Knien eines Gewichthebers harte Prüfungen auferlegt.
    Er schauderte. Hier unten war es nicht gerade warm. Trotzdem spürte er, wie sich auf Grund der nervlichen Anspannung unter seinen Achseln Schweiß bildete und allmählich auf dem leichten Stoff seines Hemdes ausbreitete.
    In der stickigen Luft roch es nach fauligen Blättern und Feuch551

    tigkeit und nach dem Beton, mit dem der Gang ausgekleidet war.
    Hin und wieder stieß seine Hand auf eine Wurzel, der es gelungen war, sich durch die Kontaktstellen zwischen den Röhren zu bohren. Das erste Mal war er vor Schreck zusammengefahren und hatte die Hand blitzschnell zurückgezogen, als habe er sich verbrannt. Dieser Tunnel musste irgendwo im Freien enden, und so war es nicht unwahrscheinlich, dass immer mal wieder Tiere hereinkamen, um sich ein gemütliches Plätzchen für eine Höhle zu suchen.
    Frank war nicht besonders empfindlich, aber die Vorstellung einer körperlichen Berührung mit einer Schlange oder einer Ratte begeisterte ihn nicht gerade, weder jetzt und hier noch überhaupt.
    Er dachte, dass diese lange Menschenjagd endlich alle seine Fantastereien lebendig werden ließ. Seine Lage war genau jene, die ihm instinktiv jedes Mal, wenn er an Keiner gedacht hatte, vor Augen getreten war. Ein schleppendes Fortkommen, kriechend, heimlich, in der Kälte und der Feuchtigkeit, die schon immer das Reich der Mäuse waren. Und es war gleichzeitig ihre eigene Situation in den Ermittlungen. Ein langsames Voranschreiten, in winzigen Schritten, mit äußerster Mühe, im vollkommenen Dunkel, hoffend, dass ein blasser Sonnenstrahl sie aus der totalen Finsternis befreite.
    Lass mich sterben, aber im Licht …
    In dieser totalen Blindheit kam ihm ein berühmter Abschnitt aus der Ilias in den Sinn, das Gebet des Ajax. Er hatte es in der Schule gelernt, vor vielen Millionen Jahren. Die Trojaner und die Achäer kämpften in der Nähe ihrer Schiffe, und Jupiter schickte einen Dunstschleier hernieder, um den Griechen die Sicht zu trüben. Da richtete Ajax ein Gebet an den Vater aller Götter, nicht mit der Bitte um die Rettung, sondern darum, die Finsternis des Todes aus dem Licht der Sonne heraus betreten zu dürfen. Frank erinnerte sich, dass sein Lieblingsheld sein Gebet mit genau diesen Worten beschlossen hatte.
    Eine Veränderung im Gefälle des Tunnels half ihm, seine Konzentration wiederzufinden. Er bemerkte, dass der Boden oder besser der Teil, den er unter seinen Füßen spürte, jetzt deutlich abfiel. Es war nicht zu erwarten, dass der Gang unpassierbar werden würde.
    Letzten Endes war er dazu gebaut worden, um von menschlichen Wesen durchquert zu werden, und die Neigung war vermutlich eher dem Zufall als einem Plan zu verdanken. Wahrscheinlich war man beim Bau auf eine harte Felsschicht gestoßen und so gezwungen worden, nach unten auszuweichen.
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    Er beschloss, sich hinzusetzen und sich auf diese Weise fortzubewegen, die Vorsicht dabei verdoppelnd. Er

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