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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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Gesichter ihrer Mitmenschen extrem oberflächlich. Jeder sah nur, was er sehen wollte. Es würde reichen, wenn sich Jean-Loup die Haare kurz schneiden oder eine dunkle Sonnenbrille aufsetzen würde, um sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit risikolos unters Volk 554

    mischen zu können.
    Andererseits wimmelte die Straße auch von wachsamen Polizisten, die ihre Augen offen hielten. Das war schon ein anderes Paar Schuhe. Jeden von ihnen hätte ein Mann, der ein paar Dutzend Meter weiter unten plötzlich aus einem Busch kam und den Hang zur Stra
    ße hinaufkletterte, äußerst misstrauisch gemacht. Das hätte sogar einen Blinden alarmiert, und nach allem, was in den letzten Tagen geschehen war, standen die Polizeibeamten dermaßen unter Hochspannung, dass sie vermutlich erst schießen und dann die Fragen stellen würden. Es konnte also durchaus sein, dass sein Mann abwartete, bis die Luft rein war, bevor er aus seinem Versteck kam.
    Frank rutschte weiter. Das Geräusch seines Hosenbodens, der über den Beton kratzte, schien ihm so laut wie das Donnern der Niagarafälle. Die Reibung begann zu schmerzen. Er hielt einen Moment inne, um sich eine bequemere Position zu suchen. Dann beschloss er, in der Hocke weiterzulaufen.
    Während er sich erhob, ertönte das Piep seines Handys, das wieder auf Empfang ging, wie der Schlag einer Turmuhr in der absoluten Stille einer Nacht auf dem Lande. Das Piepen konnte seine Anwesenheit verraten, gab ihm jedoch gleichzeitig die Sicherheit, dass der Ausgang nahe war.
    Er kniff die Augen zusammen und starrte in die Dunkelheit. Ihm war, als sehe er helle Punkte vor sich, wie Kreidezeichen auf einer schwarzen Tafel. Er versuchte, schneller voranzukommen, ohne unvorsichtig zu werden. Vor allem jetzt, da sein Herz plötzlich schneller schlug.
    Seine linke Hand glitt weiter die Betonwand entlang, der rechte Zeigefinger war über dem Abzug seiner Pistole gespannt, sein Knie schmerzte höllisch, doch dort, vor ihm, gab es den Verdacht auf Licht und vielleicht ein lauerndes Wesen, das um nichts in der Welt zu unterschätzen war.
    Die weißen Kreidezeichen, die vor ihm in der Luft schwebten, tanzten auf der Tafel hin und her, während er sich näherte. Nach und nach wurden sie größer. Frank begriff, dass der Tunnel in einem dichten Busch endete und die hellen Punkte das Licht waren, das durch die Blätter fiel. Wahrscheinlich hatte sich ein Wind erhoben und die Zweige bewegt. Deshalb also hatten sich in der Dunkelheit seine Augen getäuscht und die Lichtpunkte für Glühwürmchen gehalten.
    Plötzlich drang von draußen das Echo eines verzweifelten 555

    Schreis herein.
    Franks gute Vorsätze, vorsichtig zu sein, fielen in sich zusammen wie ein Kartenhaus vor einem Ventilator. Mit wenigen Schritten und so rasch, wie es ihm seine gebückte Haltung erlaubte, erreichte er den Busch, der den Eingang des Tunnels verbarg.
    Er schob die Zweige mit den Händen auseinander und spähte vorsichtig hinaus. Vor dem Eingangsloch des Tunnels befand sich ein Gebüsch, das hoch und dicht genug war, den ganzen Umfang der Betonröhre zu verdecken.
    Der Schrei wiederholte sich.
    Langsam richtete Frank sich auf. Sein Knie kreischte etwas in einer Sprache, die zu kennen er gerne verzichtet hätte. Er blickte sich um. Der Busch befand sich an einer relativ flachen Stelle, einer natürlichen Terrasse am Berghang, auf der spärlich verteilt ein paar Bäume wuchsen, mit schmalen, von Kletterpflanzen überwucherten Stämmen, die zum Teil aus dichtem Macchiabewuchs herausragten, zum Teil aus Brombeergestrüpp, das alles andere verdrängte. Hinter ihm, als steingewordene Herausforderung, die beiden Zwillingsvillen mit ihren gepflegten Gärten. Links, etwa fünfzig Meter über ihm, die Straße. Etwa auf der Hälfte des Abhangs, der ihn vom Asphalt trennte, etwas schräg oberhalb von seinem Gebüsch, bemerkte Frank eine Bewegung. Eine Gestalt mit einem grünen Hemd, brauner Hose und einer dunklen Segeltuchtasche um den Hals war dabei, behände zwischen den Büschen den Hang hinauf und auf die Leitplanke zuzuklettern.
    Frank hätte diesen Mann unter Millionen anderen und nach Millionen von Jahren wiedererkannt.
    Er hob die Pistole auf Augenhöhe und packte den Schaft fest mit beiden Händen. Er zielte sorgfältig auf die Gestalt vor sich und brüllte endlich den Satz, von dem er schon so lange geträumt hatte.
    »Bleib stehen, wo du bist, Jean-Loup! Ich habe dich im Visier!
    Zwing mich nicht zu schießen! Los, Hände hoch,

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