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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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man konnte doch die Ecken abschleifen, sie etwas weicher machen, so dass niemand sich daran verletzte.
    Vor allem nicht die Menschen, die man liebte.
    Er hatte sich eine Nacht zugestanden, um darüber nachzudenken.
    Am nächsten Morgen hatte er mit ihr darüber sprechen wollen. Zusammen, da war er sicher gewesen, würden sie eine Lösung finden.
    Es hatte für sie beide keinen nächsten Morgen mehr gegeben.
    Er hatte bis zum späten Nachmittag auf Harriet gewartet. Während die Sonne allmählich unterging und die Schatten der Dünen wie dunkle Finger über den Strand griffen, hatte er zwei Figuren erblickt, die am Wasser entlangwanderten und sich langsam näherten.
    Er hatte die Augen zusammengekniffen, um sie vor dem blendenden Schein der untergehenden Sonne zu schützen. Die Personen waren noch zu weit entfernt, um erkennbar zu sein. Durchs offene Fenster konnte er ihre Fußspur sehen, die sich von den Dünen, dieser Grenze seines Horizonts, hinter ihnen herzog. Ihre Kleidung flatterte im Wind, und ihre Gestalten zitterten wie im Filter eines Dampfes, der in der Ferne vom Asphalt aufsteigt. Als sie dicht genug herangekommen waren, um sie deutlich sehen zu können, erkannte Frank in dem einen den Sheriff von Honesty.
    Er spürte Unruhe in sich aufsteigen wie eine düstere Vorahnung.
    Bis er schließlich jenem Mann gegenüberstand, der eher wie ein Buchhalter als wie ein Polizist aussah, und seine Befürchtungen eiskalte Realität wurden. Den Hut in der Hand und seinem Blick möglichst ausweichend, hatte der Sheriff ihn darüber informiert, was geschehen war.
    Vor ein paar Stunden hatten Fischer, die mit ihrem Boot etwa zweihundert Meter vom Ufer entfernt übers Wasser fuhren, eine Frau gesehen, deren Beschreibung auf Harriet passte. Sie stand auf einer Klippe, die wie ein geologischer Unfall aus der langen Reihe gleichförmiger Dünen herausragte. Sie war allein und. schaute aufs Meer hinaus. Als sie mehr oder weniger auf ihrer Höhe waren, hatte die Frau sich ins Meer gestürzt. Sie sahen sie nicht mehr auftauchen und änderten sofort den Kurs, um ihr zu Hilfe zu eilen. Einer von ihnen war an der Stelle ins Wasser gesprungen, wo sie die Frau zuletzt gesehen hatten, doch trotz aller Bemühungen hatten sie nie
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    manden finden können. Sie hatten umgehend die Polizei informiert, eine Suchaktion wurde gestartet, bis jetzt jedoch vergebens.
    Erst zwei Tage später hatte das Meer Harriets Körper wieder freigegeben, nachdem er von der Strömung in eine Bucht ein paar Meilen südlich vom Haus getragen worden war.
    Bei der Identifikation hatte Frank sich wie ein Mörder an der Leiche seines Opfers gefühlt. Er hatte das Gesicht seiner Frau, die ausgestreckt auf dem Tisch der Leichenhalle lag, betrachtet und mit einem Nicken gleichzeitig ihre Identität und sein Urteil bestätigt.
    Dank der Zeugenaussage der Fischer gab es praktisch keine Untersuchung, doch das hatte Frank nicht von den Schuldgefühlen befreien können, die er in sich trug.
    Er war dermaßen mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass er die tiefe Depression, in die Harriet gefallen war, nicht bemerkt hatte.
    Niemand hatte sie bemerkt, doch das war keine Entschuldigung. Er hätte wissen müssen, was in seiner Frau vor sich ging. Er hätte es verstehen müssen. Alle Anzeichen waren vorhanden, doch in seinem abgrundtiefen Selbstmitleid hatte er es geschafft, sie einfach zu übersehen. Und ihre Diskussion nach dem Anruf von Homer hatte ihr den Rest gegeben.
    Am Ende war er weder quadratisch noch rund, sondern schlichtweg blind gewesen.
    Er hatte diesen Ort zusammen mit dem Körper seiner Frau, eingeschlossen in einen Sarg, verlassen, ohne auch nur zum Haus zurückzukehren, um seine Koffer zu packen.
    In der ganzen Zeit, die seither vergangen war, hatte er nicht eine Träne vergießen können.
    »Mama, guck mal, der Mann weint.«
    Die Kinderstimme riss ihn aus jener Art Trance, in die er gefallen war. Das kleine, blonde Mädchen in dem blauen Kleid, das neben ihm stand, wurde mit einem Schubser von seiner Mutter zum Schweigen gebracht, die ihn ansah und peinlich berührt lächelte. Sie ging rasch vorbei und zerrte ihre Tochter hinter sich her.
    Frank hatte nicht bemerkt, dass er weinte. Er wusste nicht einmal seit wann.
    Die Tränen kamen von weit her. Sie waren nicht die Rettung, sie waren nicht das Vergessen, sondern einfach eine Erleichterung. Sie bedeuteten eine kleine Atempause, um Luft zu schöpfen und für einen Moment die wahre Wärme der Sonne zu

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