Ich Töte
Frauen, die ihm ihre Brüste, ihre Blicke, ihre Körper darboten, voller Versprechungen, die in jenem obsessiven Tauschhandel des Lebens so einfach einzulösen waren. Gesichter, so offen und so durchschaubar, dass man, schon bevor man angefangen hatte, das Wort »Ende« herauslas.
Für Allen Yoshida war Sex das Vergnügen der Dummen.
Vom Salon aus durchquerte er einen kurzen Flur, der zur Küche und zum Esszimmer führte. Vor einer Wurzelholzwand blieb er stehen. Er drückte einen Knopf auf der rechten Seite, und die Wand verschwand in der Mauer.
Eine Treppe, die nach unten führte.
Mit leichter Ungeduld ging er hinab. Er hatte eine neue Kassette, die er sich ansehen wollte, ein unveröffentlichtes Video, das ihm am Tag zuvor übergeben worden war. Noch hatte er keine Zeit gefunden, es anzuschauen, wie er es mochte, bequem in seinem kleinen Vorführraum vor dem Plasmabildschirm sitzend, jeden Augenblick der Aufnahme genießend, ein Glas eiskalten Champagner in der Hand.
Als er Billy La Ruelle vom Dach hatte stürzen lassen, war Allen Yoshida nicht nur einer der reichsten Männer der Welt geworden. Er hatte noch etwas anderes entdeckt, das sein Leben verändert hatte.
Die weit aufgerissenen Augen und das panische Gesicht seines Freundes zu sehen, während er über dem Abgrund hing, die Verzweiflung in seiner Stimme zu hören, als er ihn um Hilfe anflehte, hatte ihm gefallen.
Erst später, als er nach Hause kam und sich auszog, um zu duschen, hatte er das Sperma in seiner Unterwäsche entdeckt. In jenem tragischen Moment, da sein Freund gestorben war, hatte er einen Orgasmus bekommen.
Seit damals, seit dem Moment dieser Entdeckung, war er ohne zu zögern dem Weg seiner Lust gefolgt, ebenso skrupellos, wie er dem Weg zum Reichtum gefolgt war.
Er lächelte. Sein Lächeln legte sich wie eine leuchtende Spinn128
webe über sein undurchschaubares Gesicht. Es stimmte, dass man für Geld alles kaufen konnte. Verbündete, Schweigen, Verbrechen, Leben und Tod. Für Geld waren Menschen bereit zu morden, Leiden zuzufügen und zu empfangen. Er erfuhr es jedes Mal wieder, wenn eine neue Kassette zu seiner Sammlung hinzukam und er den horrenden Preis dafür bezahlte.
Es waren Aufnahmen von realer Folter und realem Mord an Männern, Frauen, manchmal Kindern, die von der Straße weg an geheime Orte verschleppt worden waren und unter dem teilnahmslosen Auge einer Videokamera allen erdenklichen Arten von Grausamkeit unterzogen wurden, ehe man sie ermordete.
In seiner Sammlung befanden sich wahre Kostbarkeiten. Eine Heranwachsende, die langsam in Stacheldraht eingewickelt wird, bevor man sie bei lebendigem Leib verbrennt. Ein Schwarzer, der regelrecht gehäutet wird, bis er nur noch ein roter Blutfleck ist. Ihre Schmerzensschreie waren Musik in seinen Ohren, während er den eiskalten Wein schlürfte und auf die Erfüllung seines Begehrens wartete.
Und es war alles echt.
Am Ende der Treppe befand sich ein weitläufiger, hell erleuchteter Raum. Auf der linken Seite standen zwei Hermelin-Billardtische, die er sich extra in Italien hatte anfertigen lassen, einen klassisch, einen amerikanisch. An der Wand hingen die Queues und anderes Zubehör für das Spiel. Um ein Möbelstück herum, in dem sich eine der zahlreichen, überall im Haus verteilten Bars versteckte, standen ein paar Sessel und ein Sofa.
Er ging darum herum und blieb vor der gegenüberliegenden, wurzelholzgetäfelten Wand stehen. Zu seiner Rechten stand unter dem Licht einer Halogenlampe, die von der Decke herabhing, auf einem etwa anderthalb Meter hohen Podest eine antike Marmorgruppe, die Venus im Spiel mit Eros einfing. Mit keinem Blick würdigte er das erlesene Werk, die feine Spannung im dargestellten Geschehen, die der Künstler in seiner Arbeit zu vermitteln vermochte. Er legte die Hände an den Sockel der Statue und schob. Der hölzerne Deckel vom Podest drehte sich um sich selbst und gab einen Hohlraum frei. Auf seinem Boden befand sich das Tastenfeld für einen Schließmechanismus.
Yoshida tippte den alphanumerischen Code, der nur ihm bekannt war, ein. Das Wurzelholz schwang weich zur Seite und verschwand in der Wand.
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Hinter der Öffnung lag sein Reich. Hier wartete die Lust auf ihn, geheim, wie die Lust sein muss, um vollkommen zu werden.
Gerade als er über die Schwelle trat, spürte er im Rücken einen gewaltigen Schlag, ein scharfer Schmerz durchzuckte ihn, und unmittelbar danach fiel er in barmherziges Dunkel.
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Vierter Karneval
Als
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