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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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haben. Wir beide interessieren uns in gewisser Weise für den Tod von Personen, die wir nicht kennen. Sie wegen 134

    Ihrer intimen Vorlieben, ich, weil ich es tun muss …«
    Der Mann senkt den Kopf, als betrachte er das glänzende Holz der Lehne. Yoshida hat den Eindruck, er denke über etwas Persönliches nach, das ihn für einen Moment an einen Ort weit weg von hier führt. In seiner Stimme schwingt die Unausweichlichkeit mit, die Essenz des Todes selbst.
    »Hier enden die Gemeinsamkeiten zwischen uns. Sie tun es mit Hilfe anderer, ich bin gezwungen, es selbst zu tun. Sie sehen zu, wie jemand tötet, Monsieur Yoshida …«
    Der Mann kommt mit seinem Kopf ohne Gesicht ganz nah heran.
    »Ich töte …«
    Plötzlich weiß Yoshida, dass es kein Entrinnen gibt. Ihm kommen die Titelseiten all der Zeitungen in den Kopf, die über den Mord an Jochen Welder und Arijane Parker, der Frau, die mit ihm zusammen war, berichtet haben. Seit einigen Tagen sind die Nachrichten im Fernsehen voll mit den grausigen Einzelheiten dieser beiden Verbrechen, einschließlich der in Blut geschriebenen Inschrift, die der Mörder auf dem Tisch eines Bootes hinterlassen hat. Dieselben Worte, die der Mann gesprochen hat, der jetzt ihm gegenübersitzt.
    Hoffnungslosigkeit befällt ihn. Niemand würde ihm zu Hilfe kommen, weil niemand von der Existenz dieses Raumes weiß. Selbst wenn die Männer des Wachdienstes nach ihm suchten, würden sie, fänden sie ihn nicht im Haus, ihre Suche draußen fortsetzen.
    Er fängt wieder an, zu winseln und sich panisch im Sessel hin und her zu winden.
    »Sie haben etwas, das mich interessiert, Monsieur Yoshida, etwas, das mich brennend interessiert. Und deshalb fühle ich mich verpflichtet, Ihnen einen Tauschhandel vorzuschlagen.«
    Er steht auf und öffnet die Glastür des Schranks, in dem die VHS-Kassetten aufbewahrt werden. Er nimmt ein unbespieltes Band heraus, zieht es aus seiner Hülle und legt es in den Videorekorder.
    Er drückt die Aufnahmetaste.
    »Eine Sache zu meinem Vergnügen gegen eine Sache zu Ihrem Vergnügen.«
    Mit einer fließenden Bewegung greift er in eine Tasche seines Kittels und hält im nächsten Moment ein finster glänzendes Messer in der Faust. Er geht auf Yoshida zu, der sich wild herumwälzt, ohne auf den Draht zu achten, der immer tiefer in sein Fleisch einschneidet. Mit derselben fließenden Bewegung stößt er ihm das Messer in den Oberschenkel. Das hysterische Winseln seines Gefangenen geht 135

    über in einen Schmerzensschrei, abgewürgt durch das Klebeband über seinem Mund.
    »Tja, so fühlt es sich an, Monsieur Yoshida.«
    Das ewige »Monsieur Yoshida« dieser gedämpften Stimme hängt im Raum wie eine Totenlitanei. Das blutbesudelte Messer saust erneut herab, jetzt in den anderen Oberschenkel.
    Die Bewegung wird so schnell ausgeführt, dass Yoshida diesmal weniger Schmerz als Kälte auf seinem Bein empfindet. Und unmittelbar darauf die warme Feuchtigkeit des Blutes, das langsam an seiner Wade herabrinnt.
    »Seltsam, nicht wahr? Vielleicht ändern sich die Dinge, betrachtet man sie aus einer anderen Perspektive. Aber Sie werden sehen, dass Sie am Ende genauso zufrieden sind. Auch dieses Mal werden Sie Ihr Vergnügen daran haben.«
    Der Mann fährt mit kalter Zielsicherheit fort, auf sein an den Sessel gefesseltes Opfer einzustechen, während jede seiner Bewegungen von den Kameras aufgenommen und auf den Bildschirmen übertragen wird. Yoshida sieht, wie er getroffen wird, viele, viele Male. Er sieht die Blutflecken überall auf seinem Hemd erblühen, sieht den Mann, der im Raum und auf den Bildschirmen die Klinge seines Messers hebt und senkt, wieder und wieder. Er sieht seine Augen, die in ihrem Schmerz und in ihrem Entsetzen den teilnahmslosen Raum auf den Monitoren erfüllen.
    Die Musik im Hintergrund hat sich in der Zwischenzeit verändert. Die Trompete zerreißt die Luft mit der schrillen Emphase prägnanter Tonfolgen, die in ihrer Wirkung an ethnische Rhythmen, an Stammesrituale und Menschenopfer erinnern.
    Der Mann und sein Messer fahren fort in ihrem leichtfüßigen Tanz um Yoshidas Körper, öffnen überall neue Wunden, aus denen das Blut hervorquillt und auf den Kleidern und dem Marmorfußboden seine Spuren hinterlässt.
    Die Musik und der Mann halten gleichzeitig inne, wie in einem gut einstudierten Ballett.
    Yoshida ist noch am Leben und bei Bewusstsein. Er fühlt das Blut und das Leben aus den Wunden rinnen, die überall in seinem Körper, diesem einzigen

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