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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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näherten uns dem Ziel im Stop-and-go-Modus – in allen Ausfahrtsstraßen staute sich der Verkehr. Ich saß auf dem Rücksitz von Giorgos’ Auto, eingekeilt zwischen Yiayia und Mama, und schwitzte mal wieder – es war so warm geworden, dass selbst die Tanten auf ihre Pelzmäntel verzichteten. »Hoffentlich wird das Lamm nicht schlecht bei der Hitze«, sorgte sich Tante Meri. Es lag im Kofferraum und war eher ein ausgewachsener Hammel denn ein Lämmchen, schließlich sollte es für alle reichen.
    »Nur gut, dass wir überhaupt noch eines bekommen haben«, sagte Onkel Giorgos, denn bei der Bestellung beim Metzger hatte es eine Verwechslung gegeben – unser Lamm war bereits an eine andere Familie gegangen, und erst nach einem lauten, wortreichen Disput hatte Giorgos dem Metzger ein Lamm abschwatzen können, das dieser angeblich für seine eigene Familie reserviert hatte.
    »Sonst wären wir ohne Lamm dagestanden, an Ostern!«, sagte Meri und machte » papapapa !« Dies richtete sich nicht etwa an irgendeinen Vater oder popen, Papas, sondern war nur ein weiterer der vielen lautmalerischen griechischen Seufzer – er wurde ausgestoßen, wenn etwas ganz besonders schlimm erschien.
    Tante Meri und Onkel Giorgos mieteten jedes Jahr ein Sommerhäuschen auf einem Hügel in der Nähe von Varkissa, dort auf dem Grundstück sollte unser Osterlamm gebraten werden. Als wir das Häuschen endlich erreichten, offenbarte sich der Grund für den Stau: Alle, die nur irgendeinen motorisierten Untersatz mobilisieren konnten, waren ebenfalls aufs Land gefahren – auch, wenn sie über kein Sommerhäuschen verfügten. Dann entzündeten sie ihre Grillfeuer einfach in der freien Natur oder auf einem Feld. So weit man blicken konnte, sah man Familien, die sich um ihr Lamm am Spieß gruppierten.
    Im Karst des heißen Sommers wäre die allgemeine Zündelei wahrscheinlich fatal gewesen, nun aber war Frühling, und die Hügel, die mein Bruder und ich nur öde und struppig kannten, waren grüne Blumenwiesen mit Mohn, Margeriten, Kamille und Oregano, der jetzt noch saftig grün wuchs und lila blühte. Mein Bruder und ich verbrachten eine Stunde staunend in den Wiesen und kehrten schließlich mit Blumensträußen zurück.
    Mittlerweile glühten die Holzkohlen, und Onkel Michalis war an der Reihe, den Spieß zu drehen. Die gehäuteten Lämmer hatte ich schon all die Tage in und vor den Metzgereien hängen sehen, sie hingen dort komplett, mit Kopf. Ich hatte mir nichts weiter dabei gedacht und irgendwie geglaubt, der Kopf würde noch vor dem Verkauf entfernt werden, doch nun registrierte ich, dass dies nicht der Fall war: Unser Lamm – und alle Lämmer auf dem Hügel – drehten sich inklusive Kopf am Spieß, so dass all die leeren Augenhöhlen mich anzustarren schienen. In das, was einmal ein Maul gewesen war, hatten die Feiernden ihnen auch noch ein rotes Ei gesteckt, wohl um den Braten fröhlich-österlich auszustatten. Mir kam es vor, als hätte man das tote Lamm noch posthum verhöhnen wollen.
    Lange betrachtete ich das Lamm mit dem roten Ei zwischen den Zähnen, mein Abscheu wurde von Minute zu Minutegrößer. »Ich glaube, ab heute bin ich Vegetarierin«, sagte ich schließlich zu meinem Bruder.
    »Du spinnst doch«, meinte mein Bruder, »wie immer.«
    Es gibt zwar nur rote Ostereier in Griechenland, doch werden sie, wie bei uns, im Wettbewerb aneinandergestoßen, und darin war ich Meisterin: Ich hatte mir besonders dickschalige Eier ausgesucht, damit besiegte ich fast die ganze Familie: »Christos anestis« sagt man, wenn man mit dem Ei auf das Ei des Gegners tippt, »Christus ist auferstanden«.
    »Alithos anestis, er ist wahrhaftig auferstanden«, muss der Gegner antworten. Nur bei Cousin Stelios scheiterte ich. Er hatte eine Art, kurz und kräftig zu tippen, die in der Verwandtschaft unerreicht blieb.
    »Christos anestis«, sagte Stelios und, mit leicht boshaftem Unterton (er wusste natürlich, dass ich nicht gern harte Eier aß): »Soll ich dir gleich ein bisschen Salz für dein Ei bringen, stelitza ?« Das Ganze war eine Variante unseres alten Spieles, das »kleine Cousinen ärgern« hieß und vor langer Zeit mit Kitzelattacken und »Brennnessel-Portionen« begonnen hatte. Nur leider war er immer noch der Stärkere, darum musste ich so einige Eier herunterwürgen.
    Das Osterlamm verweigerte ich aber ganz und saß schließlich mit Anna, ein Tellerchen Salat und Feta-Käse auf den Knien, auf der Hollywoodschaukel (Anna war immer noch auf

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