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Ich trug das Meer in Gestalt eines Mädchens (German Edition)

Ich trug das Meer in Gestalt eines Mädchens (German Edition)

Titel: Ich trug das Meer in Gestalt eines Mädchens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelle Groom
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ab.

Palindrome
    1 .
     
    Ich lebe allein in der billigen, wandschranklosen Wohnung in Alafaya Trail. Manchmal kaufe ich mir nach der Arbeit eine Sechserpackung alkoholfreies Bier. Ich weiß, dass ich nichts trinken darf, das nach Alkohol schmeckt. Dass »alkoholfrei« nicht »kein Alkohol« bedeutet, sondern nur einen sehr geringen Anteil. Ich weiß von Leuten bei den Treffen, die sich an Hustensaft oder Mundspülmittel betrunken haben. Es ist gefährlich für mich. In diesem frühen Stadium ist noch etwas Selbstzerstörerisches in mir, etwas, das nicht loslassen will. Kurz darauf begegne ich bei einem Treffen einer früheren Freundin meines Bruders, und sie fragt mich, ob es okay sei, wenn sie alkoholfreien Wein trinkt, wenn sie welchen zu einer Party mitnimmt. Ich bin überrascht. Ich bin es so sehr gewöhnt, nur mich zu bedenken. Ich sage, ja, ich glaube, das ist okay. Doch während ich spreche, ist da ein Nagen, als wollte ein Teil von mir das Gesagte zurücknehmen. Als ich sie beim nächsten Treffen nicht sehe, auch bei keinem anderen, ist das Bedauern, das ich empfinde, wie Bauchschmerzen. Sie war ganz neu gewesen, sie hatte darauf vertraut, dass ich ehrlich Auskunft gebe.
    An dem Abend gehe ich nicht zu einem Treffen, sondern sitze auf dem Barhocker in meiner Küche und trinke zwei Flaschen schnell hintereinander. Lese die Zeilen aus W. S. Merwins Gedichten, die ich an den Kühlschrank geklebt habe. In einem Buch von 1968 hatte ich ein Foto von Merwin gefunden. Er ist jung, trägt ein Flanellhemd, steht an einen alten Lastwagen gelehnt. Er schließt zwei Finger zu einem Kreis, mit dem er sich auf den Kühlergrill stützt. Es ist sonnig, aber es muss kalt sein; seine Hemdsärmel sind an den Handgelenken zugeknöpft, die Bäume vom Wind gebeugt. Wie ein Farmer, denke ich, so wie er in dem hellen Gras steht und die Blätter hinter ihm aufgewirbelt werden und er, so scheint es, die Ladefläche seines Wagens beladen will. Ich finde Zeilen aus Gedichten von Merwin in Denis Johnsons Roman
The Stars at Noon
und tippe sie auf meiner Schreibmaschine ab, klebe sie an die Wand. Ich bin nie auf der Insel des Dichters gewesen, meine Mutter schon. Als Kind lebte ich auf einer kleineren Insel, und als meine Mutter von dem Vulkan zurückkam, glückselig, eine Strohtasche mit einer goldenen Spange und einem weißen Muumuu, wusste ich, dass ich selbst nie dorthin fahren würde, wie zu der Insel der Blumen.
    In dem großen goldenen Sessel, den ich aus dem Haus meiner Eltern habe, las ich Merwins Gedichte, statt der wenigen Zeilen, die ich überall im Haus wie Anweisungen angeklebt hatte. Es ist der Sessel, in dem ich meinen Sohn ein paar Minuten gehalten habe, bevor meine Verwandten mit ihm wegfuhren. Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe. Er war vier Tage alt. Manchmal verprügelt der Mann nebenan seine Freundin. Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, die Treppe hinauf, muss ich oft an der Reihe seiner Freunde vorbei, die aus seiner Wohnung gekommen sind und am Geländer lehnen. Mein Nachbar hat unter dem Auge eine tiefe Narbe. Gewöhnlich versucht er mir den Weg zu versperren, will mich zu sich einladen. Ich lehne jedes Mal ab, weshalb sie mich nicht besonders mögen. Wenn ich im Pool schwimme, rufen sie Obszönitäten zu mir runter. In meiner Wohnung kann ich seine Freundin nebenan schreien hören:
Schlag doch. Komm doch, mach schon.
Und er tut es, obwohl seine Freunde noch da sind. Ihr Kopf kracht hinter mir an die Wand.
    Ihr Haar ist lang, blond. Das Gesicht gedunsen, hübsche Augen. Die Stimme wie ein Kratzeisen. Sie sieht entweder hellwach aus oder wie im Halbschlaf. Auf dem Weg zur Arbeit finde ich eines Morgens ein Kondom, ein Messer und Tarnhosen auf dem Asphalt vor meiner Tür. Der Nachbar kommt in den Laden, wo ich arbeite. »Ich möchte etwas über Vitamine lernen«, sagt er. Irgendwie erkläre ich ihm, warum ich nicht mehr trinke. »Ich will aufhören zu trinken«, sagt er. »Vielleicht kannst du mir helfen.« Meistens räume ich die Regale auf, wenn er da ist, halte den Blick auf die Flaschen gerichtet. Er und seine Freundin bekommen einen Räumungsbefehl, der an die Tür gehängt wird. Vielleicht denkt er, er könne bei mir einziehen. Meinen Kopf gegen die Wand donnern.
    Für kurze Zeit habe ich einen neuen Freund, den ich im Naturkostladen kennengelernt habe. Er kauft mir das neue Buch von Merwin. Abends ziehe ich meinen goldenen Lehnstuhl direkt unter den Ventilator und lese. Allen, die ich kenne, sage

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