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Ich trug das Meer in Gestalt eines Mädchens (German Edition)

Ich trug das Meer in Gestalt eines Mädchens (German Edition)

Titel: Ich trug das Meer in Gestalt eines Mädchens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelle Groom
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Kleine vielleicht gestorben ist, weil wir …« Das hat er gesagt. Es hängt mir noch nach, das »wir«.

Migration
    Es ist 1969 , und in Nana Smiths Küche springen zwei blinde siamesische Katzen von einer Resopalfläche zur anderen. Bei Nana Smith steht alles immer an derselben Stelle, sodass die Katzen sich zurechtfinden können. Sie dreht den Dosenöffner, schält den Schinken aus einer Dose, einen rosa Klumpen. »Ich mag Schinken zu Weihnachten«, sagt sie. Ich bin gekochtes Essen gewöhnt, aus dem Ofen. Der Schinken sieht aus wie etwas, das man im Krieg oder in einer Hungersnot essen würde – Fleisch, das nicht verdirbt. Ihre Augen sind wie die der Katzen, nur größer, grelles Blau, das ruft:
Was ist los was ist los, was geht hier vor, waswas!!
Auch ihre Zurückhaltung ist wie die der Katzen. Die siamesischen Katzen wollen Gesellschaft, Nana Smith will Liebe.
    Es ist 1972 , ihr zweiter Mann sitzt im Wohnzimmer, in einem Rollstuhl, er sitzt vor dem Fernseher mit dem Rücken zu uns. Wir sitzen auf dem Sofa, sehen seinen Rücken, haben aber keine klare Sicht auf den Fernseher. Er ist auf dem Weg zum Briefkasten von einem Auto angefahren worden. Unser überdrüssig, rollt er sich in den dunklen Flur, der ein Weg nach draußen zu sein scheint, auf eine geheimnisvolle Straße, aber wohl eher zu einem kleinen Schlafzimmer führt, wo es ruhiger ist. Er hat nie mit mir gesprochen, mir nie ins Gesicht gesehen. Jetzt teilt er den Grabstein mit meinem Sohn, ist sogar neben ihm beerdigt. Sie haben denselben Namen. Der Mann im Rollstuhl ist der Vater meines Onkels, und mein Onkel ist der Adoptivvater meines Sohnes.
    1977 – wir leben auf einem Militärstützpunkt in Spanien – hat Mom eine Flasche Dry Sack für Nana Smith zu Weihnachten gekauft. Die Flasche ist so dunkel, dass sie auch Tinte enthalten könnte oder Blut. Mein Bruder und ich dürfen keinen Alkohol trinken, aber wir haben mit Mom einige Bodegas besichtigt. Und in den Weinkellern, die wir besichtigt haben, durften wir Sherry aus kleinen Probefläschchen trinken, ein Mindestalter gab es hier nicht, und Mom hat es uns nicht verboten. Sie passte sich, so schien es, den Gepflogenheiten an. Dad betrachtete die Flasche Dry Sack für Nana. »Sie darf nichts trinken. Warum schenken wir ihr das?«
    Meine Mom sagt: »Wir schenken ihr das immer. Sie mag das.« Mein Dad schüttelt den Kopf. »Was sollen wir ihr denn sonst schenken? Was würde ihr gefallen?« Meine Eltern kauften ihr einen Matrosen aus Porzellan, eine Lladró-Figur. Ein Junge, der den Blick gesenkt hält und weiße Hosen anhat, die wie dicke weiße Strumpfhosen aussehen, und der ein Schiff auf der Hüfte trägt.
    1979 wohnt Nana Smith in der Howland Street, und ich bin in meinem ersten Jahr am Bridgewater State College, meine Eltern sind im Ausland. Sie hat mich eingeladen und macht die Tür zu ihrem Schlafzimmer auf. Alles ist rosa. Es ist vertraut, wie mein rosa Himmelbett zu Hause, aber unglaublich mädchenhaft. »Hier ist ein Licht für dich«, sagt sie und knipst eine Tischlampe an. Der Rand des Lampenschirms, die Bettdecke, die Vorhänge – alles in dem Zimmer scheint aus Spitze zu sein. Sie sagt: »Ich benutze nie Grundierung. Davon macht man sich die Haut kaputt.« Ich weiß nicht, wo sie schläft.
    In meiner Zeit am College in Bridgewater gehen meine Tante Julia und mein Onkel Mark, die zweieinhalb Jahre später meinen Sohn adoptieren werden, mit mir und Nana zum Essen aus. In dem Restaurant bestellt sie einen Shirley Temple. Sie steckt ihre Finger in den Granatapfelsaft und fischt die Kirsche raus. »Einen Drink darf ich«, sagt sie. »Einen Drink. Neulich habe ich auch ein Glas getrunken.« Sie versucht meine Tante und meinen Onkel zu überzeugen, dass sie damit zurechtkommt.
    Nach dem Tod meines Sohnes kam Nana nach Florida und besuchte mich. Sie fragte mich, warum niemand bei uns über meinen Sohn sprach. »Ich würde durchdrehen, wenn ich nicht über ihn sprechen könnte«, sagt sie. Der Flur ist eng, ich kann den Puder auf ihrem Gesicht riechen. »Ich habe ein Bild von ihm in meiner Brieftasche. Er sieht dir so ähnlich.« Sie macht ihre Handtasche auf und zeigt mir die beiden Babyfotos, eins in Schwarz-Weiß und Tommy in Farbe. Ich und mein Sohn. »Hier, nimm du sie«, sagt sie. Als sie das Badezimmerlicht ausdreht, sagt sie: »Wenn du dich wieder verliebst, nimm die Pille.«
    1986 schickt Nana mir ein Geschenk: zwei Skulpturen von schwarzen siamesischen Katzen mit grünen Augen. Eine

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