Ich und andere uncoole Dinge in New York
unterschiedlich aussehen, aber doch ähnlich sind. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Abende alle in etwa gleich verlaufen: Wir nehmen ein paar Drinks, unterhalten uns mit Peters Bekannten, manchmal tanzen wir, küssen uns und halten Händchen. Gewöhnlich gehe ich allerdings vor Peter nach Hause, weil ich ja früh zu Scirox muss, während seine Seminare später anfangen. Deshalb sehen wir uns kaum allein und am Wochenende muss er zu einer Tante und am Sonntag treffen wir uns in einer Bar. Am Sonntag laufe ich dann gegen elf vom Gansevoort leicht bedröhnt nach Hause, um am Montag wenigstens einigermaßen fit für Scirox zu sein. Dabei versuche ich, nicht darüber beleidigt zu sein, dass Peter schon wieder lieber mit seinen Freunden im Club bleibt, als mit mir nach Hause zu gehen. Manchmal ist es so schwierig zu verstehen, wie Jungen funktionieren. Mein Astronomie-Club-Freund in Dinslaken, an den ich jetzt leider doch noch einmal denken muss, wollte ständig mit mir allein sein und fummeln, aber da hatte ich keine Lust zu. Aber wenn Peter wirklich genauso wenig Lust darauf hätte, wie ich mit Jan, dann würde er mich doch nicht ständig küssen und anfassen. Und dann kommt mir der furchtbare Gedanke, dass Peter vielleicht glaubt, dass es sich gar nicht lohnt, mit mir nach Hause zu gehen. Er ist schließlich Amerikaner. Hat Ben nicht gesagt, dass er mit dem Daten aufhört, wenn nach drei Dates nichts Richtiges läuft? Vielleicht denkt Peter nach dem letzten Mal, wo wir bei ihm waren, ich meine es nicht ernst, weil er ältere Mädchen gewöhnt ist. Florence hat sich bestimmt nicht lumpen lassen, wenn es um Sex ging. Sie ist wahrscheinlich froh, wenn überhaupt jemand mal mit ihr rummacht. Dann verlaufe ich mich auch noch und obwohl ich nicht weit von zu Hause sein kann, sind plötzlich keine anderen Leute mehr da und alles wirkt ganz schön gruselig. Manchmal macht New York einen fertig. Endlich finde ich mich wieder zurecht und bin heilfroh, als ich endlich zu Hause bin. Im Apartment ist schon alles stockdunkel. Ben schläft und Rachels Tür steht weit auf und lässt den Blick auf das Chaos im Halbdunkeln ihres Zimmers frei. Sie ist möglicherweise der unordentlichste Mensch, den ich kenne. Sie hat zudem keinerlei Schamgefühle, was das angeht. Sie ist wahrscheinlich bei Amal geblieben. War ja klar, dass sie sofort mit ihrem Sommerprojekt ernst macht. Aber vielleicht ist das in den USA ja auch alles anders. Als ich mich gerade in meinem viel zu heißen Zimmer unter ein dünnes Laken lege, klingelt das Telefon. Es ist viel zu spät für einen normalen Anruf, schon kurz nach Mitternacht. Wie immer schwirren mir sofort ein Haufen Katastrophen-Szenarios durch den Kopf, was alles passiert sein könnte. Nervös nehme ich den Hörer ab, ohne auf den Anrufbeantworter zu warten.
„Hallo?“
„Hi, Judith! Ich hatte gehofft, dass du es bist. Ich wollte dich und Rachel fragen, ob wir nächstes Wochenende endlich einmal nach Coney Island fahren.“
„Deswegen rufst du um Mitternacht an?“ Ich erkenne sofort, dass es Adam ist. Ich versuche, meiner Stimme einen entrüsteten Klang zu geben. Dabei freue ich mich, seine Stimme zu hören, und mein Herz pocht viel lauter, als es pochen sollte, wenn man bedenkt, dass ich vor einer Stunde in den Armen meines Traummanns gelegen, beziehungsweise zumindest neben ihm gestanden habe.
„Ich dachte, jetzt ist sicher jemand da. Du klingst ziemlich wach.“
„Stimmt. D a bin ich aber, ehrlich gesagt, die einzige hier.“ Das war so formuliert, dass ich die einzige wache Person sein könnte, Rachel aber ordnungsgemäß in ihrem Zimmer liegt.
„Was, wo ist Rachel?“ Adam hat sofort kapiert, was los ist.
„Keine Ahnung. Das heißt, ich glaube sie wollte ins Kino.“
„Mit wem denn?“
„Mit einem Bekannten, den wir bei Daves Finissage kennengelernt haben.“
„Davon hat sie mir nichts erzählt!“
Vielleicht hätte ich das nicht sagen dürfen.
„Aha. Sie hat ein heimliches Date, ohne ihren Bruder um Erlaubnis zu fragen. Und, ist der Typ in Ordnung?“
„Er ist Inder.“
„Ist das ein Qualitätsmerkmal? Jetzt erzähl doch mal! Ein Kandidat für eine Romanze?“
„Ich glaube, dass die Luft etwas knistert.“ Ich hoffe, er fragt nicht weiter.
„Die Luft knistert? Ist das ein deutscher Ausdruck?“
„Ehrlich gesagt: nein.“ Jetzt können wir wirklich das Thema wechseln.
„Ihr Deutschen seid alle Dichter. Sag ihr, dass sie mich anrufen soll. Nächstes Wochenende
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