Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
haben, zusammen mit Hintergrundkommentaren und Interviews und so. Dieser Stil lässt sich sehr leicht nachahmen, darum hatten wir das als Plan B entworfen, nachdem unser Werd-wieder-gesund-Video gescheitert war. Leider hatten wir im Grunde nur eine Person, die wir interviewen konnten: Denise. Und Denise machte gerade eine schwere Zeit durch. Ihr einziges Kind hatte Krebs, und Rachels Vater – wahrscheinlich habe ich vergessen, das vorher zu erwähnen – hatte sich von der Familie getrennt.
Diese Frau zu interviewen war der totale Alptraum.
INNEN . WOHNZIMMER DER KUSHNERS – TA G
GREG
im Off
Ja, also, Denise. Können Sie mir ein bisschen von Rachels Geburt erzählen?
D ENISE
nicht bei der Sache
Oh, Rachels Geburt.
GREG
im Off
Ja.
D ENISE
Rachels Geburt. Was für eine Tortur.
unerklärlich laut
Sie war nie eine große Kämpfernatur. Sie war immer ein ruhiges Mädchen, einfach unheimlich niedlich, wollte nie kämpfen, und jetzt weiß ich nicht, was ich machen soll. Ich kann sie nicht zum Kämpfen zwingen, Greg.
GREG
im Off
Äh, stimmt.
DENISE
Ich habe ein Mädchen großgezogen, das niedlich ist … und wunderbar, aber nicht zäh.
GREG
im Off
Und wie war sie so als Baby? Hatte sie ein Lieblingsspielzeug?
DENISE
nicht bei der Sache
Sie hat Bücher … gelesen.
unbehagliches Schweigen
Greg, ich bin eine gute Mutter. Aber ich weiß nicht, wie ich sie da durchbringen soll. Es ist, Gott bewahre, als wollte sie nicht mehr leben.
GREG
im Off
Sie hat also als Baby gern … Bücher gelesen.
DENISE
beharrlich, irgendwie roboterhaft
Ich bin eine gute Mutter. Ich war ihr eine gute Mutter.
Wir unternahmen den Versuch, ein Telefoninterview mit Rachels Großeltern zu führen, aber das war ein noch deprimierender Reinfall.
»Hallo?«
»Hallo Mr. Lubov – hier ist Greg, ein Freund von Rachel.«
»Wer ist da?«
»Ein Freund Ihrer Enkeltochter Rachel.«
» Wessen Freund?«
»Ihrer Enkelin, Rachel.«
»Moment. (Janice, für dich. Ich sagte, für dich . Das Telefon . Nein, ich weiß nicht, wo es ist. Das Telefon, Janice.«)
»…«
»Wer spricht?«
»Hi, mein Name ist Greg, Ich bin mit Ihrer Enkelin Rachel befreundet.«
»Rachel wohnt … Rachel wohnt bei ihrer Mutter.«
»Ich weiß – ich drehe einen Dokumentarfilm. Über Rachel.«
»Sie drehen einen – oh.«
»Wäre es möglich, Ihnen ein paar Fragen zu stellen?«
»Was?«
»Darf ich Ihnen ein paar Fragen über Rachel stellen?«
»Fragen Sie ihre Mutter. Denise.«
»Es ist für einen Film, wir wollen ihr damit eine Freude machen.«
»Okay, ich weiß nicht, wer Sie sind, und ich weiß auch nicht, wie ich Ihnen helfen kann. Aber wenn Sie Rachel suchen, sie wohnt bei ihrer Mutter, Denise.«
»Ähm … okay, danke.«
Ich legte auf, weil es sich anhörte, als würde Rachels Großmutter gleich losheulen. Andererseits klingen Großmütter manchmal eben so. Wie auch immer: nicht auszuhalten.
Es gab auch nicht gerade jede Menge Filmmaterial, auf das wir zurückgreifen konnten. Nur ein Urlaubsvideo, das Denise uns ansehen ließ, aber wir hatten starke Zweifel, ob wir es verwenden sollten.
AUSSEN . STRAND , PRINCE EDWARD ISLA ND , KANADA – TAG
Grauer Himmel. Der Sand ist dunkel, als hätte es gerade geregnet, und es sieht aus, als würde es gleich wieder anfangen. R ACHEL sitzt auf einem Handtuch und schaut reglos aufs Meer.
DENISE
im Off
Huhu, Schätzchen!
Rachel dreht sich um und blickt in die Kamera. Sie bleibt stumm. Ihre Miene ist ausdruckslos.
D ENISE
im Off
Hier sind wir also auf der schönen Prince Edward Island. Das ist die kleine Rachel, und da drüben ist Bill.
Schwenk auf Bill neben einem Sonnenschirm. Er sitzt in einer Strandliege mit allem Drum und Dran, u.a. ZWEI G ETRÄNKEA BLAGEN , auf denen jeweils ein Bier steht.
BILL
zu laut
Richtig TRAUMHAFT hier.
D ENISE
im Off, krampfhaft heiter
Bill ist ein bisschen muffelig wegen des Wetters!
B ILL
Denise, kannst du das Ding nicht einfach ausmachen?
DENISE
im Off
Und kannst du wenigstens mal versuchen, den Urlaub zu genießen?
BILL
Was glaubst du, was ich hier MACHE ?
Sagen wir mal so: Wäre ich Rachel und würde im Bett liegen und mich mies fühlen, stünde diese hier schon mal nicht auf der Liste der Szenen, die ich in einem Film sehen will.
Tatsächlich scheiterte alles , was wir mit der Ken-Burns-Methode zustande brachten, letztlich an dieser Prämisse. Im Prinzip versuchten wir das Biopic eines Mädchens zusammenzustellen, das nicht sehr lange
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